Rente landet im Vermittlungsausschuß

■ Der Bundesrat ruft den Vermittlungsausschuß an, um eine Senkung des Rentenbeitrags auszuloten. Wie die Rekordmarke von 21 Prozent abgesenkt werden kann, ist offen. SPD-Vorsitzender Oskar Lafontaine ble

Bonn (taz) – Eine Erhöhung des Rentenbeitrags auf 21 Prozent scheint abwendbar. Im Bundesrat zeigten gestern SPD und Union ihre Bereitschaft, einen Kompromiß zu finden. Die Länderkammer beschloß, den Vermittlungsausschuß zwischen Bundestag und Bundesrat anzurufen.

Unklar ist aber, wie sich Opposition und Koalition einigen könnten. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder verzichtete in seiner Antrittsrede als neuer Ratspräsident darauf, eine isolierte Erhöhung der Mehrwertsteuer vorzuschlagen und damit der Bundesregierung entgegenzukommen. Dafür hatte er in den letzten Tagen innerhalb der SPD geworben. Schröder sagte gestern: „Die Positionen sind nicht so weit auseinander, daß kein Kompromiß möglich wäre.“ Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) nannte die von Schröder signalisierte Gesprächsbereitschaft „ohne Zweifel positiv“.

SPD-Parteichef Oskar Lafontaine ging gestern nicht auf Schröders Vorschlag ein. Statt dessen wies er auf das seit Anfang des Jahres von der SPD vorliegende Konzept zur Senkung der Lohnnebenkosten hin, in dem eine Erhöhung von Mehrwert- und Mineralölsteuer vorgeschlagen wird.

Kompromißbereitschaft deutete er aber durch den Zusatz an: „Wir sind auch bereit, schrittweise vorzugehen.“ Lafontaines Worte wurden gestern von Beobachtern dahingehend interpretiert, daß sich die SPD eine auf 1998 vorgezogene Mehrwertsteuererhöhung vorstellen kann, allerdings nur dann, wenn es später auch zu einer Erhöhung der Mineralölsteuer käme. Diese Linie könnte wohl Schröder mittragen. Der Friede zwischen den beiden potentiellen Kanzlerkandidaten bliebe somit gewahrt.

Lafontaines Vorstoß brächte allerdings Unruhe unter die Koalitionspartner CDU/CSU und FDP. Denn die FDP lehnt eine Mineralölsteuererhöhung kategorisch ab.

Die hessische Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Barbara Stolterfoht, meinte denn auch, die Bundesregierung sei „im Würgegriff der FDP“. Lafontaine warf der Regierung Handlungsunfähigkeit vor und zeigte sich damit weniger von einem Kompromiß überzeugt als Schröder. „Ich hätte mir gewünscht“, so Lafontaine, „hier stellt sich heute jemand von der Koalition hin und sagt: Das machen wir.“

Für eine Reform des Rentensystems nannte Lafontaine drei Eckpfeiler: Die Rentenkasse muß von versicherungsfremden Leistungen entlastet, die Stellung der Frau im Rentensystem überdacht und die Teilzeitarbeit besser einbezogen werden. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) sagte, er habe Schröders Worte als „Brückenbau“ verstanden. Die Kontroverse sei unverständlich, meinte Blüm und faßte das derzeitige Szenario so zusammen: Der SPD gehe es um eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge um zwei Punkte, der Koalition hingegen nur um einen Punkt. Die SPD wolle die Absenkung durch die Erhöhung von Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer finanzieren, die Koalition nur durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die Opposition lehne deshalb die Erhöhung der Mehrwersteuer im Bundestag ab und die Koalition im Bundesrat. Blüm: „Wie soll man das bloß den Bürgern erklären?“ Markus Franz