Gedenken konkret

■ Wie Politiker zur Reichsprogromnacht reden

Der Gedenkkranz der Bremischen Bürgerschaft ist vor dem schwarzen Mahnmal an der Dechanatstraße niedergelegt, das für die Opfer des 9. und 10. November 1938 errichtet wurde. Am Ende der jährlichen Veranstaltung der Bürgerschaft zur Reichsprogromnacht schweigen viele der Besucher - darunter mehrere Schulklassen - berührt, nachdem Rabbi Barslai den Kaddish, das jüdische Sterbegebet, gesungen hat. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) nimmt eine weinende Frau in seine Arme und tröstet sie. Obwohl Gedenktage, wie der zur Reichsprogromnacht, mit einem Programm aus Reden, Gebeten und Musik eine rituelle Form angenommen haben, zeigen sie immer noch Wirkung.

Zwei Reden wurden am Mahnmal gehalten: vom Bremer Theater-Intendanten Klaus Pierwoß und von Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU). Beide bemühten sich in ihrer Rede, so konkret wie möglich zu werden. „Wir müssen benennen, was faul ist im Staate Dänemark“, sagte Pierwoß. Auch Perschau nannte nicht nur Namen, sondern auch Anschrift, Alter, Beruf und Familienstand der fünf ermordeten jüdischen Bremer am Tag der sogenannten „Kristallnacht“.

Am Nachmittag zuvor versuchte Bürgermeister Scherf ähnlich konkret, einen Teil der Verantwortung zu übernehmen. „Ihre Eltern, die wir Deutschen umgebracht haben“, betonte er mehrmals auf der Veranstaltung zu Ehren von Charlotte Abraham-Levy in der jüdischen Gemeinde. Er sprach Levy direkt an, eine jüdische Bremerin, deren Eltern 1941 nach Minsk deportiert und dort umgebracht wurden. (die taz berichtete)

Elvira Noah, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Bremen, unterstützt das konkrete Gedenken. „Wenn man die Verbrechen nicht so betont, würde man die Opfer nochmals töten“, sagt Noah. Für die Überlebenden sei die Erinnerung an ihre ermordeten Angehörigen sowieso schmerzlich. Die zusätzliche Erwähnung an Gedenktagen würde keine neuen Wunden aufreißen. „Je mehr man darüber spricht, desto offener kann man damit umgehen“, hofft Noah. susa