Leiden an der Befreiung

■ Ein Film aus Simbabwe thematisiert sexuelle Gewalt im antirhodesischen Befreiungskrieg

Wenn sich in Harare die einflußreiche „Zimbabwe War Veterans Association“ (ZWVA), Vertreter des Verteidigungsministeriums, des Geheimdienstes und des Informationsministeriums mit Medienschaffenden, HistorikerInnen und KünstlerInnen zu einer Versammlung treffen, geht es meist um den Bestand der Nation. Im Dezember 1995 war der einzige Tagesordnungspunkt der Spielfilm „Flame“ von der weißen Feministin Ingrid Sinclair über die Rolle der schwarzen Frauen im Befreiungskrieg und über die sexuelle Gewalt schwarzer Männer.

Die Kommission war sich schnell einig: „Das Scheitern des Films, eine Balance zu finden zwischen den negativen, häßlichen Szenen der Freiheitskämpfer auf der einen Seite und ihrer Tatkraft und Tapferkeit auf der anderen, erscheint wie ein heimtückischer Versuch, den Kampf als ein zielloses Abenteuer hinzustellen.“ Ein solches Diktum ist in Simbabwe fast gleichbedeutend mit einem Aufführungsverbot. Die Veteranen hatten genau dies noch während der Dreharbeiten gefordert.

„Flame“ erzählt die Geschichte von Florence und Nyasha, zwei jungen Frauen, die sich in den siebziger Jahren nach Mosambik absetzen, um sich dort in einem Camp auf den Kampf gegen das Regime von Ian Smith vorzubereiten. Florence wird Karriere machen in der militärischen Hierarchie, Nyasha nutzt die Zeit auch für politische Studien. Ihre noms de guerre sind Flame und Liberty.

Flames Aufmerksamkeit gilt zunächst Comrade Danger, einem militärischen Führer im Camp. Doch zu mehr als einer zaghaften Annäherung kommt es zunächst nicht. Als er zu einem Einsatz ausrückt, wird sie von einem anderen Vorgesetzten, Comrade Che, vergewaltigt. Hier setzt die Kritik der ZWVA an. „Es waren die rhodesischen Soldaten, die vergewaltigt und gefoltert haben“, betonte der stellvertretende Generalsekretär der Organisation lange vor der Veröffentlichung des Films.

Die Filmemacherin Ingrid Sinclair hatte zunächst versucht, eine Dokumentation zum Thema zu machen. Aussagen betroffener Frauen gab es genug, doch keine wollte im Film reden. Das Thema ist ein Tabu im Simbabwe Robert Mugabes. Während des Schnitts wurde das Material Anfang 1996 von der Polizei beschlagnahmt, bald aber wieder freigegeben. Neben Stimmen für das Verbot von „Flame“ mehrten sich auch diejenigen, die sich auf die Freiheit der Kunst beriefen oder die Perspektive des Films teilten. „Flame“ wurde im Mai 1996 in Simbabwe gestartet und wurde ein überwältigender Kassenerfolg.

Flame lebt nach der Vergewaltigung mit Che zusammen, er und ihr gemeinsames Kind sterben bei einem Bombenangriff der Smith- Armee. Nach dem Krieg geht sie mit Danger in dessen Dorf, doch der trinkt und schlägt sie. Fünfzehn Jahre nach dem Krieg, der 1980 mit der Machtübernahme der Bevölkerungsmehrheit endete, beschließt die Begegnung der beiden Frauen den Film, wie sie ihn eröffnete. Flame und Liberty, längst wieder zu Florence und Nyasha geworden. Sie klagen, nach dem Krieg genauso recht- und chancenlos zu sein wie vor der Befreiung.

Doch was der Film mit einer Klage beschließt, schreibt das Leben in Simbabwe fort. Ein Streit um die Höhe von Zahlungen aus einem Kriegsopfer-Kompensations-Fonds brachte zunächst Frauen auf den Plan, die um ihre Renten fürchten, dann solche, die nie welche erhalten haben. In der in Harare erscheinenden Financial Gazette droht eine ehemalige Kämpferin damit, Namen zu nennen, wenn die Drohung der Kürzung der Gelder nicht zurückgenommen wird. „Mitunter sind zehnjährige Mädchen vergewaltigt worden, und wir kennen die Schuldigen. Einige von ihnen sind sehr prominente Regierungsmitglieder – ganz an der Spitze.“ Was als ein simples Sparprogramm der Regierung begann, droht nun Simbabwes konservative Nomenklatura zu erschüttern. Max Annas

„Flame“. Regie: Ingrid Sinclair, Produzent: Simon Bright.

Termine: 12.11., 20.15 Uhr Göttingen, Kino Lumière. 13.11., 20 Uhr, Berlin, Haus der Kulturen der Welt. 14.11., 21 Uhr Hamburg, Lichtmesz Kino. 15.11., Braunschweig, Filmfest. 17.11., Kassel, Gesamthochschule. 19.11., Bonn, Brotfabrik