Her mit der Bioware!

Hessische SPD will Koalitionsvertrag mit den Grünen zur Gentechnik nachbessern  ■ Aus Frankfurt am Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Eine „Farce“ nannte Christoph Ewen vom Öko-Institut den von der hessischen Landesregierung initiierten zweitägigen „Dialog zur Gentechnologie“, der gestern in Frankfurt eröffnet wurde. Es habe nach den Bekenntnissen sozialdemokratischer Minister für den Einsatz der Gentechnologie auch in der Landwirtschaft „ernsthafte Überlegungen“ gegeben, die Veranstaltungsreihe zu boykottieren. Wer brauche noch einen solchen „Dialog“ zwischen Befürwortern und Gegnern der Gentechnologie, wenn für die eine Seite das Ergebnis schon feststehe.

Auch Eduard Bernhard, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), erklärte, daß der „sogenannte Dialog“ inzwischen zur „reinen Alibiveranstaltung verkommen“ sei. „Hessen soll doch die Speerspitze der Gen- und Biotechnologie in Deutschland werden“, klagte Bernhard unter Berufung auf eine Äußerung des hessischen Wirtschaftsministers Lothar Klemm (SPD).

So richtig in Rage gebracht hat die zum „Dialog“ geladenen Umweltschützer in Hessen allerdings ein in der vergangenen Woche von der Frankfurter Rundschau moderiertes Streitgespräch. Eine Gegnerin der Gentechnologie arbeitete sich dabei vergeblich am hessischen Innenminister Gerhard Bökel (SPD) ab. Der legte offen, daß es ihm inzwischen nicht mehr nur um den Einsatz von Gentechnologie für medizinische oder rein wissenschaftliche Zwecke gehe. Auch in der Landwirtschaft sei in Zukunft der Einsatz der Gentechnologie „unverzichtbar“. „Wenn wir krank sind, nehmen wir Medikamente, die ohne Gentechnik nicht denkbar sind. Aber wenn die Gentomate auf den Tisch kommt, lehnen wir das ab. Das paßt doch nicht zusammen.“

Weil aber im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnisgrünen in Hessen der Einsatz von Gentechnologie in der Landwirtschaft noch entschieden abgelehnt wird, forderte Bökel dessen umgehende „Nachbesserung“. Denn nur die Gentechnologie biete die Chance zu einer deutlichen Verringerung des Einsatzes von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. „Feldversuche“ dazu wie etwa in Wölfersheim vom AgrEvo-Konzern seien deshalb „wünschenswert“. Den Gegnern der Gentechnologie warf Bökel „Hysterie“ vor.

Die Bündnisgrünen zeigten dem auch für die Landwirtschaft zuständigen Innenminister danach die gelbe Karte und nannten ihn einen „kopflosen Lobbyisten der Industrie“. Und für die Fraktion erklärte Alex Müller, daß es Bökelsche „Nachbesserungen“ an den Koalitionsvereinbarungen nicht geben werde. Auch Umweltministerin Margarete Nimsch (Bündnisgrüne) äußerte sich eindeutig: „Die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen ist absolut überflüssig.“

Dagegen stärkte der Landesverband der SPD dem Innenminister umgehend den Rücken: „Festlegungen in Koalitionsvereinbarungen besitzen keine Gültigkeit für alle Ewigkeit.“ Auch die SPD- Fraktion ging auf Konfrontation zum Koalitionspartner. Die Biotechnologie sei eine „strategische Schlüsseltechnologie für Hessen“.

Für den BBU sind die Koalitionsvereinbarungen in Hessen kein Bollwerk mehr gegen den großflächigen Einsatz von Gentechnologie in der Landwirtschaft. Zu oft schon seien die Grünen im Landtag bei umweltpolitischen Fragen „eingeknickt“, sagte Bernhard. Der Regierungspartei SPD wirft der BBU vor, aus wirtschaftspolitischen Erwägungen heraus einen umwelt- und gesundheitspolitisch „verhängnisvollen Kurs“ zu steuern. Die Oppositionspartei SPD in Bayern unterstütze dagegen das Volksbegehren „Lebensmittel gentechnikfrei aus Bayern“. Das passe auch nicht zusammen.

Christoph Ewen vom Öko-Institut wird heute – trotz aller Verärgerung – bei der Abschlußveranstaltung von „Dialog“ auf dem Podium sitzen. Schließlich heißt das Thema der Diskussion „Information, Transparenz und demokratische Verantwortung“.