Höllenfahrt durch Grenzbezirke

■ Mehrlagiges Crossing all over zu Kruzifixen und Sexgöttinnen in Latin Boys Go To Hell von Ela Troyano im Alabama

Latin Boys Go To Hell, das klingt nach Sex, Gewalt, Blut und Trash. Im ersten Kinofilm der gebürtigen Kubanerin Ela Troyano segnen tatsächlich diverse Latin Lovers das Zeitliche, teilweise sogar recht unästhetisch. Auch einige skurrile Nackedeiszenen fehlen nicht. Aber Latin Boys ist ein Film mit Botschaft.

Das verdeutlicht schon die symbolisch angehauchte Anfangssequenz. Die Kamera schweift über eine mit Sexgöttinnen beposterte Wand, streift kurz ein dazwischengeratenes männliches Pendant – und verweilt schließlich auf einem Kruzifix. Kombiniere: Es geht um die Irrungen und Wirrungen zwischen einengender Moral und befreiter Sexualität, zwischen Homophobie und -philie. Und das auch noch auf latino-amerikanischem Kulturgrenzgebiet. Ein altbekanntes cineastisches Crossing all over?

Im Handlungszentrum steht das Coming Out des etwa 20jährigen Justin (Irwin Ossa), der mit seiner Mutter in einem Latinoviertel New Yorks lebt. Die weiblichen Sexsymbole an Justins Zimmerwänden spiegeln weniger die eigenen Neigungen als die seines Cousins Angel (John Bryant Davila). Seit dieser bei Justin eingezogen ist, wurde er zur heimlichen Hauptfigur in Justins homoerotischer Träumereien.

Frustriert darüber, daß Angel dem schwachen Geschlecht zugetan ist, zwingt sich Justin zu einer ersten schwulen Liebesnacht. Zufallspartner ist der bodygebuildete Muster-Macho Carlos (Mike Ruiz). Als wäre das nicht schon Bestrafung genug, bekommt dessen psychotischer Liebhaber Braulio von der Sache Wind. Und so driftet die emotionsgeladene Handlung zwischen Latino-Discos und anzüglichen Aktfotosessions einem melodramatischen Beziehungskisten-Showdown entgegen.

Daß das Homo-Hetero-Hin-und-Her nicht im Seifenoper-Morast versackt, verdankt sich unter anderem dem bewußten Einbeziehen des Genres selbst. Regelmäßig wird das Geschehen interpunktiert von Auszügen der TV-Schmalzserie Dos Vidas (“Zwei Leben“). Die Doppelleben der Latin Boys werden dadurch plausibel miteinander verknüpft und um eine weitere Dimension ergänzt. So wird Latin Boys Go To Hell – trotz Déja-Vu-Potential – doch noch zur mehrschichtigen Höllenfahrt durch eine interkulturelle und -sexuelle Twilight Zone.

Christian Schuldt

Alabama (engl. OmU)