Kleinere Gesten der Betroffenheit

Neue russische Dramatik in der Baracke: Mit Alexej Slapovskijs „Stück Nr.27“ gab Stefan Schmidtke seinen Einstand als Regisseur. Paare in Wollsachen kauern und lauern, wechseln die Partner und schütteln das Haar  ■ Von Petra Kohse

Drei Frauen und drei Männer, das macht: jeweils ein Paar, zwei Betrogene und zwei im Wartestand. Ein Reigen. Noch einer. Dabei ist der von Arthur Schnitzler doch noch gut. Wobei: Dies hier ist russisch, ist ein neueres Stück des 40jährigen Alexej Slapovskij und heißt „Stück Nr.27“. Natürlich ist es nicht wirklich sein 27. Stück, aber in der Tat ist es seriell gehalten. Erst ER und SIE, dazu FREUND. Dann SIE und MANN. Dann SIE und FREUND, dazu MANN. Etc.

Kein richtiger Reigen also, denn zwei Männer teilen sich eine Frau, während zwei weitere Frauen und ein Mann verlassen werden. Ein Ringelpiez-Fragment. Ohne Anfassen, weil betrieben von Figuren, die keine Beziehung haben, sondern nur darüber reden: in Fertigbauteilen. (SIE: „Ich weiß, du liebst mich nicht. Aber wie findest du mich?“) Am Ende ist dann doch nichts gewesen, jeder kauert wieder beim angestammten Gespons, und überall ist es besser, wo sie nicht sind. Im Zeitraffer zu sehen, wer in diesem Stück zu wem geht und wie er/sie wieder nach Hause schleicht, wäre möglicherweise lustig. Ein Vor und Zurück im Beziehungsmonopoly, keiner kommt über Los. Und die Schloßallee? Vergiß es. Ein melancholisches Stück über die Banalität (vielleicht), falls man es auf zehn Minuten zusammenschnurrte.

Stefan Schmidtke aber, der das „Stück Nr. 27“ in der Baracke inszeniert hat, braucht eine Stunde. Denn er nimmt die behaupteten Gefühle der Figuren so ernst, daß er zeigen will, wie unwahr sie sind.

Drei Stellwände, eine Jalousie, zwei Kinositze – den winzigen Barackenraum hat Katharina Grantner kammerspielfein gemacht. Darin die Paare in Woll- oder Cordhose, Strick- oder Hängerkleid, mit besorgten Gesichtern, gekünsteltem Lachen und kleineren Gesten der Betroffenheit. Besserverdienende beim Versuch der Selbstverwirklichung. Anke Baier und Jörg Panknin, Barbara Schnitzler und Gunter Schoß, Margit Bendokat und Torsten Buchsteiner.

Stefan Schmidtke, der in Moskau Regie studiert hat, seit Januar zum Barackenteam gehört und dessen erste Arbeit das hier ist, arrangiert die Darsteller statisch im Raum. Zwei liegen aufeinander oder stehen hintereinander, wenn gelaufen wird, dann höchstens ein paar Schritte. Immerhin, eine Verfremdung, indes: Es reicht nicht. Das Menschelnde, Gefühlige bricht sich dennoch seine mühsame Bahn. Nur einmal wird ein möglicher Rhythmus angeschlagen, wird Text so schnell und überlagernd gesprochen, daß er sich – als Sound – seiner Banalität nicht zu schämen braucht.

Der Rest aber ist ein Zelebrieren der Sätze, ein Sichabwenden, ein Kauern und Lauern, ein Armeverschränken und sogar ein Haareschütteln.

Wieder am 18./19., 27.11., 21 Uhr, Baracke, Schumannstraße 10