Insel der Seligen versinkt im Haushaltsloch

■ Den Kirchen brechen die Steuereinnahmen weg: Austritte, Arbeitslosigkeit und Steuerflucht reduzieren ihr Einkommen um 15 Prozent. Protestanten und Katholiken beschließen Sparhaushalte mit Kündig

Die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte schlägt auf die Kirchen durch. Sowohl die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg als auch das Katholische Erzbistum Berlin verzeichnen in diesem Jahr einen drastischen Rückgang ihrer Einnahmen aus der Kirchensteuer. Beide Kirchen planen deshalb Sparhaushalte, die ihre Ausgaben radikal herunterfahren sollen. Vor allem die Personalkosten werden mit allen Mitteln reduziert – betriebsbedingte Kündigungen eingeschlossen.

Die Synode der Evangelischen Landeskirche berät in dieser Woche über die Nachtragshaushalte 1997 und 1998. Für 1997 haben die Finanzplaner ein Minus von 14 Prozent bei den Steuereinnahmen errechnet. Die Kirche nimmt damit 42,4 Millionen Mark weniger als die geplanten 355 Millionen ein. Im nächsten Jahr gehen die Einnahmen auf 275 Millionen zurück. Und am Ende des Tunnels scheint kein Licht: Die Kirchenführung rechnet mit weiteren Ausfällen von noch einmal 40 Millionen im Jahr 1999.

Da die evangelische Kirche ihren Haushalt zu etwa 45 Prozent aus den Steuereinnahmen finanziert, hat sie ihrem Haushalt eine drastische Fastenzeit verordnet: Standen 1997 noch 823 Millionen Mark an Ausgaben an, werden es 1998 nur noch 751 Millionen sein. Die Folge sind Streichungen in allen Bereichen: von der Krankenhausseelsorge, der Jugendarbeit, der Gefangenenseelsorge bis zum Abspecken der Verwaltung. Insgesamt will die Landeskirche von ihren insgesamt etwa 9.500 Stellen in den nächsten Jahren etwa 1.500 durch Nichtbesetzung freiwerdender Stellen und Kündigungen abbauen. 1997 wurden nach Angaben von Bischof Wolfgang Huber bisher 300 Mitarbeiter gekündigt.

Auf der Synode wurde deshalb auch Kritik laut. Der Neubau eines etwa 70 Millionen Mark teuren Verwaltungsgebäudes in Friedrichshain sei angesichts der Entlassungen schwer zu rechtfertigen, hieß es. Bereits am Montag hatten etwa 3.000 Kirchenangestellte gegen Entlassungen und die Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld demonstriert.

Auch im Katholischen Erzbistum Berlin wird der Klingelbeutel immer leerer. Konnte der katholische Kardinal Georg Sterzinsky noch 1996 einen Haushalt von 330 Millionen Mark verteilen, fiel der Etat in diesem Jahr auf 301 Millionen. Für 1998 soll der Kirchenhaushalt wiederum auf 282 Millionen abgesenkt werden, erklärte der Finanzdezernent Clemens Graf von Waldburg-Zeil: ein Rückgang um etwa 15 Prozent, der den Ausfällen bei den Kirchensteuereinnahmen entspricht. 1997 fehlen den katholischen Haushältern 9 Millionen Mark an geplanten Einnahmen.

Das Gegenrezept heißt auch hier: eisern sparen. So drosselte das Bistum seine Ausgaben für Erhaltung und Neubau von Kirchen und Schulen und verabschiedete sich von Bauprojekten. Den Zuschuß an den Sozialverband Caritas kürzte die Kirche jährlich um 5 Prozent. Finanzdezernent von Waldburg-Zeil hofft, daß es ohne betriebsbedingte Kündigungen abgeht, „aber sicher ist das nicht“.

Die Kirchen sitzen bei den Finanzen gleich mehrfach in der Klemme. Einerseits laufen die Mitglieder ihnen immer noch davon: Die Evangelische Landeskirche ist in sieben Jahren von 1,8 auf 1,4 Millionen geschrumpft. Die etwa 340.000 Katholiken verlieren pro Jahr etwa 2.000 Mitglieder. Vor allem aber reißt die Arbeitslosigkeit in der Region laut von Waldburg- Zeil tiefe Löcher in die Kirchenkassen. Arbeitslose zahlen keine Kirchensteuern, und auch Besserverdienende, die ihre Einkommensteuern in Abschreibeprojekte investieren, zahlen nicht mehr an die Kirchen. Deshalb freuten sich die Haushälter beim Scheitern der Steuerreform in Bonn: Für den Fall der Umsetzung der Reform hatten die Kirchen mit weiteren Einnahmeverlusten von noch einmal 15 Prozent gerechnet. Bernhard Pötter