■ Die Fünf Weisen prognostizieren steigende Arbeitslosigkeit
: Mit dem Latein am Ende

Trotz des erwarteten Wirtschaftswachstums in diesem und im kommenden Jahr wird die Arbeitslosigkeit weiter ansteigen. Die Daten des Sachverständigenrates belegen: Die kräftigen Zuwächse in der Auslandsnachfrage sowie die verbesserte Gewinndynamik bei den Unternehmen sind nicht mit der vielerseits versprochenen Besserung der Arbeitsmarktlage belohnt worden. Vor allem aber bleibt die dringend erforderliche Belebung der Binnenwirtschaft aus.

Seit nunmehr über zwanzig Jahren plädiert der Rat der Fünf Weisen für eine angebotsorientierte Politik: Danach kommt Wachstums- und Beschäftigungsdynamik nur zustande, wenn die unternehmerischen Renditen nach Steuern durch zurückhaltende Lohnpolitik, Deregulierung der Arbeitsmärkte und staatlichen Sozialabbau gestärkt werden. Auch die Sachverständigen sehen, daß diese Umverteilungspolitik nicht zu den beschäftigungspolitischen Verbesserungen geführt hat. Den Kritikern ihrer Heilslehre werfen sie jedoch vor, nicht das Konzept sei falsch, sondern Finanz-, Lohn- und Deregulierungspolitik seien viel zu zaghaft durchgesetzt worden.

Diese Verteidigung der neoliberalen Angebotspolitik grenzt an Rechthaberei. Die Kritik, diese Umverteilungspolitik führe zum Anstieg der Arbeitslosigkeit, wird letztlich mit der Tautologie abgetan: Wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, dann sind eben Sozialleistungen und Löhne immer noch zu üppig und der Abbau steuerlicher Entlastungen der Unternehmen zu gering. Diese ultra-marktoptimistische Deutung sei, so der neue Sachzwang, die einzig adäquate Antwort auf die Globalisierung der Wirtschaften.

Der Sachverständigenrat bleibt bei seinem endzeitlichen Bekenntnis zum vulgärökonomischen „Sayschen Theorem“ aus der Mitte des letzten Jahrhunderts: Rentables Angebot schafft sich seine Nachfrage in ausreichendem Maß. Dabei verstrickt sich der Rat in Widersprüche. Der festgestellte Nachfragemangel trotz Verbesserung der Angebotsbedingungen wird nicht erklärt. Der Rat bestätigt in seinem Jahresgutachten auch erneut seine ökologische Blindheit, wenn er sagt, daß das Wirtschaftswachstum, das unter Renditeorientierung zustande kommt, ohne Berücksichtigung ökologischer Folgen akzeptiert beziehungsweise gefördert werden muß.

Dieses Jahresgutachten leistet keinen Beitrag zu einer Strategie zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Der Sachverständigenrat entpuppt sich als „Rat der Ratlosen“. Rudolf Hickel

Der Autor ist Professor für Wirtschaftswissenschaften in Bremen