: Die Finger verbrannt
■ Rußlands Vizepremier Tschubais kassiert 90.000 Dollar für Buch über Privatisierung
Moskau (taz) – „Manuskripte brennen nicht“, schrieb Michail Bulgakow in seinem Roman „Der Meister und Margarita“. Die jüngste Erfahrung russischer Politiker lehrt, daß man sich an Manuskripten sogar die Finger verbrennen kann. Am Donnerstag mußte Vizepremier Anatoli Tschubais auf eine Anfrage der Duma reagieren.
Anlaß: Mit sechs hohen Beamten hatte er eine „Geschichte der Privatisierung in Rußland“ verfaßt, wobei jeder für die Autorenrechte 90.000 US-Dollar einstrich. Wegen einer ähnlichen Affäre ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Alfred Koch, der im Herbst seinen Posten als Minister für Staatseigentum verlor. Er hatte von einer Schweizer Firma einen Vorschuß von 100.000 US-Dollar erhalten – ebenfalls für einen potentiellen Staubfänger über die Privatisierung. Es besteht der Verdacht, daß das Geld den Schweizern zu diesem Zwecke von der russischen Unexim-Bank gezahlt wurde. Diese Gruppe gehört zu einem Konsortium, das bei einer Auktion 25 Prozent der Aktien der staatlichen Telefonholding Swjasinvest ersteigerte. Die Unexim besitzt auch Anteile am Verlag Segodnja Press, von dem Tschubais und seine Kollegen die Vergütungen erhielten. Zwei Umstände unterscheiden das Projekt der Gruppe um Tschubais von Kochs Alleingang. Erstens scheint das Kollektivmanuskript zu existieren. Zweitens wurden die Autorenrechte von Segodnja-Press an einen anderen Verlag weiterverkauft. Die Zeitung Kommersant schrieb, daß Tschubais ein Schema gefunden hat, mit dem sich Staatsbeamte auf juristisch unangreifbare Weise bereichern können. Barbara Kerneck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen