Das Portrait
: Moskaus Liesl Karlstadt

■ Marija Mironowa

Manchmal deutete sie an, daß sie am liebsten so sterben würde wie vor zehn Jahren ihr berühmter Sohn Andrej (1941-1987). Dessen Herz hatte mitten auf der Bühne zu schlagen aufgehört. Tatsächlich ist Marija Mironowa letzte Woche im Alter von 86 Jahren einem Herzschlag erlegen, aber in der Moskauer Zentralklinik, unweit ihrer mit bunten Trophäen geschmückten Wohnung. Kollegen, Prominente und das Moskauer Publikum begleiteten sie am Samstag auf den Friedhof Wagankowskoje, wo sie wieder mit Andrej vereint ist.

Eine Zeitlang schien ihr Image als Mutter des beliebtesten sowjetischen Filmhelden der 80er Jahre ihre eigene Vergangenheit in den Schatten zu stellen. Dabei bedeutet der Markenname „Mironowa und Menaker“ für die gesamte ehemalige Sowjetunion nicht weniger, als für Deutschland „Karl Valentin und Liesl Karlstadt“. Marija Mironowas Ehemann, Alexander Menaker (1913-82), hatte die Idee zu dem kabarettistischen Duett, das seine Arbeit 1939 aufnahm. In dieser gar nicht so lustigen Zeit waren die ZuschauerInnen der beiden oft vor Lachen dem Ersticken nahe. Gegenstand der Sketche waren Eheszenen, eine „Dampferfahrt“, außerdem erfand Marija Mironowa eine heute legendäre Bühnengestalt namens Kapa, eine Art Groupie, das für Tenöre schwärmt. Trotz des privaten Charakters dieser Szenen erforderte diese Kleinkunst damals in der Sowjetunion große Kühnheit.

In der Zeit der Neuen Ökonomischen Politik der 20er Jahre hatte die junge, hungrige Marija Mironowa Glühbirnen gestohlen und gegen Milchbrötchen getauscht, um Schauspielunterricht nehmen zu können. Nach dem Tod von Mann und Sohn wurde es vorübergehend ruhig um sie. Doch in den letzten Jahren erwies sie sich als Meisterin auch des großen dramatischen Faches. Ihre Glanzrolle gab ihr Regisseur Oleg Tabakow in dem Stück „Ein Alter verläßt seine Alte“.

In ihrem letzten Interview unterstrich die Vollblutschauspielerin, daß sie trotz ihres schwierigen Schicksals ein glückliches Leben hatte: „Oft fragen mich Leute, warum ich so wenige Falten habe. Ich habe nie irgend jemand beneidet. Und auf der Basis von Neid gedeiht so manches – das Verbrechen ebenso wie die Falten“. Barbara Kerneck