Nachgefragt
: Mehr Engagement

■ Frank Lutz (CDU) zum Knast-Skandal

taz: Herr Lutz, Sie haben den Justizsenator Henning Scherf (SPD) jetzt aufgefordert, für die Zustände in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen „nicht nur seine Rahmenverantwortung wahrzunehmen, sondern auch Konsequenzen über die bereits vollzogenen personellen Veränderungen hinaus zu ziehen und Taten folgen zu lassen“. Was soll das heißen?

Dr. Lutz, Rechtsanwalt und justizpolitischer Sprecher der CDU: Henning Scherf muß sich im Justizressort mehr engagieren. Ich glaube nicht, daß er es sich als verantwortlicher Politiker noch länger leisten kann, die Arbeit seinem Staatsrat oder anderen Mitarbeiter zu überlassen.

Ist das eine verklausulierte Rücktrittsforderung?

Nein. Aber Herr Scherf muß doch merken, daß im Strafvollzug Zustände herrschen, die er weder den Gefangenen noch der Bevölkerung zumuten kann. Aber was soll Scherf denn noch machen? Der Leiter des Gefängnisses ist gegangen, sein Staatsrat ist zurückgetreten?

Herr Scherf muß sich endlich um den Strafvollzug kümmern. Er muß dafür Sorge tragen, daß die Aus- und Einbrüche minimiert werden. Es kann nicht angehen, daß im Gefängnis ein florierender Drogenhandel stattfindet. In Bremen hat ein Gastronom seine Konzession zurecht verloren, weil er den Drogenhandel in seiner Gaststätte nicht unterbunden hat. Eine Justizvollzugsanstalt ist eine öffentliche Einrichtung und muß den Leuten die Chance zur Resozialisierung geben. Es ist doch ein Ding aus dem Tollhaus, wenn man sich anhören muß, daß es Gefangene gibt, die erst im Gefängnis süchtig geworden sind. Scherf kann zum Beispiel endlich dafür Sorge tragen, daß die Eingangskontrollen verschärft werden, damit keine Drogen mehr in den Knast kommen.

Justizsenator Scherf hat gesagt, daß er die Türen im Knast nicht selbst auf- und zuschließen könne.

Wenn Herr Scherf als Ministerpräsident dieses Landes zu dem Ergebnis kommt, daß die Belastung mit einem Fachressort zu groß ist, dann muß der Senat eben über eine Neuverteilung nachdenken. Das ist keine Schande. Das kann auch eine Chance sein, schließlich hat Scherf im Zusammenhang mit der Sanierung riesige Aufgaben vor sich.

Sie werfen Scherf vor, er hätte die CDU getäuscht. Warum?

Wir haben als Opposition in der vergangenen Legislaturperiode sowohl in der Bürgerschaft als auch in der Deputation eine Vielzahl von Anfragen an das Justizressort gerichtet. Aus heutiger Sicht muß man sagen, daß die Antworten, die wir bekommen haben, die Tatsachen nicht aufgedeckt, sondern eher dazu geeignet waren, uns im Ungewissen zu lassen. Es ist geradezu beschämend, daß uns, die wir geahnt haben, daß es Mängel gibt, gesagt wurde, es ist alles in Ordnung. Es kann doch nicht angehen, daß wir als Politiker eine Kontrollfunktion haben und trotzdem nicht umfassend informiert werden.

Innensenator Ralf H. Borttscheller (CDU) hat Sie vor einigen Monaten als Justizsenator ins Gespräch gebracht. Kritisieren Sie Scherf jetzt so scharf, weil Sie seinen Job wollen?

Für mich kommt erst meine Anwaltskanzlei, dann die Familie und danach die Politik. Als Justizsenator müßte ich meine Lebensgrundlage, also die Kanzlei, vernachlässigen. Und diesen Gefallen will ich einigen Leuten in diesem Land nicht tun.

Fragen: Kerstin Schneider