Götterdämmerung einer tausendjährigen Arena

■ Höchster Fußballfunktionär des Landes tritt für den Abriß des Olympiastadions und seinen Neubau als ausschließliches Fußballstadion ein. Leichtathleten fürchten dagegen den Verlust ihrer Sportstätte

Geht es nach Otto Höhne, Chef des Berliner Fußball-Verbandes, dann wird das Olympiastadion von 1936 abgerissen und statt dessen ein Fußballstadion neu gebaut. Das sagte der Sportfunktionär bei einer Veranstaltung der CDU.

Eile ist geboten, weiß Volker Liepelt, Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Wir müssen verhindern, daß es in ein paar Jahren heißt, das Olympiastadion sei der letzte zusammenfallende Tempel nördlich der Alpen.“ Denn das Stadion ist in einem schlechten Bauzustand. Über seine vermutlich 660 Millionen Mark teure Sanierung können sich Bund und Land nicht einigen.

Also hatte die CDU die führenden Sportfunktionäre der Stadt zu einem Hearing eingeladen. „Ich bin froh, daß wir mal angehört werden“, eröffnete LSB-Präsident Manfred von Richthofen die Diskussion. Zum Thema selbst hatte der Enkel des „roten Barons“ wenig Neues beizutragen. „Wir haben uns frühzeitig positioniert für ein reines Fußballstadion, um international konkurrenzfähig zu sein.“

Drei Alternativen stellte Richthofen vor: erstens das „Modell Barcelona“ – eine Modernisierung der Arena unter Beibehaltung der alten Fassade; zweitens Typ „Wembley“ aus London, wo das Mekka des englischen Fußballs abgerissen und an derselben Stelle neu errichtet wird; schließlich die dritte (denkbare) Berliner Variante: Bau eines neuen Stadions an einem neuen Platz – auf dem Maifeld oder dem Schenkendorfplatz in Westend.

Damit ging der LSB-Chef mit „meinem alten Freund“ Otto Höhe, dem Oberhaupt des Berliner Fußball-Verbandes, konform. Um bei einer Bewerbung Deutschlands für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nicht übergangen zu werden (wie bei der Europameisterschaft 1988 geschehen), plädierte Höhne für ein neues Stadion mit einem Fassungsvermögen von 80.000 Plätzen. Höhne: „Ich muß das verwirklichen, wovon ich mir wirtschaftlich etwas verspreche.“ Während der Bauzeit von höchstens fünf Jahren sollte das alte Olympiastadion („eine teure Sanierung ist unrealistisch“) als Zwischenlösung genutzt werden.

Dem stimmte Manfred Zemaitet, Präsident von Hertha BSC, gerne zu – wohl wissend, daß die Vermarktungsmöglichkeiten im bisherigen olympischen Rund arg begrenzt und die Auflagen des Weltverbandes Fifa dort kaum noch einzuhalten sind. „Das kann sich ein Bundesligaverein nicht leisten. Ich bin sicher, Berlin wird in fünf bis zehn Jahren ein, zwei Bundesligaklubs haben. Das investierte Geld wird wieder eingespielt werden.“

Manfred Günther, Berlins oberster Leichtathlet, machte einen Kotau vor „König Fußball“, obwohl er sich das gesamte Reichssportfeld gut als „Zentrum der bundesdeutschen Leichtathletik“ vorstellen könnte. Deshalb bat Günther die übermächtige Kicker- Lobby um Nachsicht. „Wenn es irgendwie geht, bin ich für den Erhalt der bisherigen Anlage.“

Aus gutem Grund: Sollten die Leichtathleten komplett in den wesentlich kleineren Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg umgesiedelt werden, verlören sie ihre einzige taugliche Austragungsstätte für Großveranstaltungen.

Als lautstarke Opposition polemisierte Professor Mollenhauer von der Charlottenburger Sport AG gegen die gehörten Wünsche. „Die Welt lacht darüber, was mit dem Olympiastadion geschehen soll. Sport ist mehr als Fußball.“

Es könnte noch schlimmer kommen, konterte von Richthofen genervt, der darauf hinwies, daß ein vom Senat gesuchter Privatinvestor andere als sportliche Präferenzen setzen würde. „Dann würde aus dem Reichssportfeld ein Freizeitpark mit Wohnungsbau werden. Kommt dieser Vergnügungspark, fallen alle unsere Überlegungen weg, denn er brauchte die ganze Fläche.“ Als einzige Sportinvestition bliebe dann wohl nur das Großstadion übrig. Die „kleinen Disziplinen“ (Hockey oder Wasserball) würden ausgelagert werden. Jürgen Schulz