Erneutes Coming-out für Rumäniens Nationalisten

■ Der Entwurf eines neues Bildungsgesetzes sorgt vor allem bei der ungarischen Minderheit für Ärger. Jetzt überlegt sich die Vertretung der Ungarn, aus der Koalitionsregierung auszutreten

Bukarest (taz) – Eine Welle nationalistischer Hysterie schwappt derzeit durch Rumänien. Politiker und Medien aller Couleur entdecken einen alten Sündenbock neu: die ungarische Minderheit und ihre politische Vertretung, den Ungarnverband UDMR. Ihre Vergehen und versteckten Absichten werden Tag für Tag von neuem und in immer düsteren Szenarien ausgemalt – etwa in Adevarul (Wahrheit), der größten Tageszeitung des Landes. Die Ungarn quälen die Rumänen, sabotieren die Regierungspolitik und untergraben die Einheit des Landes, schrieb das Blatt. Das Ziel seien der Zusammenbruch und die Aufteilung Rumäniens.

Dabei gilt Rumänien im Westen seit dem Machtwechsel vom letzten Herbst als Musterland von Demokratisierung, verbesserter Minderheitenpolitik und Aussöhnung mit den Nachbarländern. Nach den Parlamentswahlen vom November 1996 kam eine christlich- sozialdemokratisch-liberale Koalition zustande, an der – zum ersten Mal in der Geschichte Rumäniens – mit dem Ungarnverband eine Minderheitenvertretung teilnahm.

Im Koalitionsvertrag verpflichteten sich die regierenden Parteien, alle gesetzlichen Bestimmungen abzuschaffen, durch die Minderheiten in Rumänien diskriminiert werden. Die Regierung legte im Frühjahr Gesetzesentwürfe vor, aufgrund derer sich die Mehrsprachigkeit im Verwaltungs- und Bildungssystem entscheidend verbessern sollte. Die nationalistisch-kommunistische Opposition und ein Großteil der Presse liefen Sturm gegen diese Politik. Aber auch in der Koalition endete die neue Offenheit gegenber Minderheiten bald mit einem Rückfall in alte Reflexe.

Noch in dieser Woche soll ein verändertes Bildungsgesetz verabschiedet werden, laut dem Minderheiten die Fächer Geographie und Geschichte Rumäniens in rumänischer Sprache lernen müssen – ähnlich wie unter dem Regime des Diktators Ceaușescu und seinem postkommunistischen Nachfolger Ion Iliescu. Dem Parlament liegt außerdem ein Gesetzenturf zum „Schutz der rumänischen Sprache“ vor, das sich gegen Minderheitensprachen wie gegen allzu freien Fremdsprachengebrauch überhaupt richtet. Koalitionspolitiker fordern darüber hinaus ein umfassendes Programm zum Schutz der Rumänien in mehrheitlich von Ungarn bewohnten Gebieten.

Es war zunächst nur ein einziger Abgeordneter der größten Koalitionspartei, der christdemokratischen Bauernpartei, der die minderheitenfreundlichen Gesetzesentwürfe der Regierung ablehnte: der ultranationalistische Senator George Pruteanu. Nach seiner Ansicht sprechen Rumäniens Minderheiten, darunter vor allem die 1,6 Millionen Ungarn, schlecht rumänisch und müssen daher verpflichtet werden, Geographie und Geschichte Rumäniens in dieser Sprache zu lernen.

Daß seine Position nun mehrheitsfähig geworden ist, liegt zum einen an dem tief verwurzelten nationalistischen und minderheitenfeindlichen Denken der meisten rumänischen Politiker. Aber nicht nur. In der größten Koalitionspartei kämpfen verschiedene Fraktionen um die Macht in der Regierung, und die Minderheitenkarte wird dabei je nach Bedarf herausgezogen. Und schließlich wagen es die wenigen rumänischen Politiker, die gegenüber Minderheiten aufgeschlossen sind, wie Staatspräsident Emil Constantinescu, aus opportunistischen Gründen nicht, sich von Extremismus und Nationalismus abzugrenzen.

Deshalb steht nun der Verblieb des Ungarnverbandes in der Regierung zur Diskussion. In den kommenden Wochen will der UDMR darüber entscheiden. Für Rumänien steht dabei gerade außenpolitisch viel auf dem Spiel – die Nato-Integration, ausländische Kredite und Investitionen, die auch von demokratischen Reformen abhängig sind. Denn das im Ausland zur Zeit noch positive Ansehen des Landes beruht vor allem auch auf dem Glauben, daß die neuen Machthaber mit den Traditionen des rumänischen Nationalismus brechen wollen. Keno Verseck