„Die Lademenge bestimmten die Reeder“

■ Prozeß um Untergang der Scantrader: Staatsanwalt gehen die Fragen aus

Warum bloß wird Richtern nicht zuteil, was jeder Schauspieler lernt: Die Kunst, eine Handlung – im konkreten Fall die Umstände, die vor sieben Jahren zum Untergang des Zementfrachters „Scantrader“führten – so vorzutragen, daß die Zuhörenden Anteil nehmen können. Es war müßig, sich diese Frage gestern morgen im Hamburger Amtsgericht zu stellen.

Mit monotoner Stimme verliest Richter Hans Bünning die bewegenden, polizeilich protokollierten Aussagen verschiedener Zeugen – von Ex-Kapitänen der Scantrader, entlassenen Offizieren, Hafenbediensteten aus Polen und Spanien. Alle bestätigen: Der deutsche Frachter, der im Februar 1990 überladen und mit zwölf Mann an Bord auf Grund lief, war schon auf früheren Reisen marode und stets überladen.

Der Zustand des Schiffes sei „schockierend“gewesen, erklärt Ex-Kapitän Ryszard B. Stabilitätspapiere hätten trotz mehrfacher Nachfrage gefehlt, und „die Lademenge wurde von der SK Schifffahrt Hamburg vorgegeben“. Deren Reeder, Geschäftsführer und Mitgesellschafter – Jerzy K., Heiner B. und dessen Vater Heinrich B. – sitzen auch am gestrigen zweiten Verhandlungstag unbeteiligt auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, die Schiffssicherheit vorsätzlich gefährdet und damit den Tod von zwölf Seeleuten in Kauf genommen zu haben.

Doch um die zwölf Ertrunkenen geht es nicht. Vielmehr um Stabilitätspapiere und Details wie die Frischwassermenge an Bord. Staatsanwalt Harald Allerbeck läßt sich darauf ein. Stellt nicht klar, daß doch immer der Reeder die Verantwortung für das Schiff trägt, Stabilitätspapiere hin oder her. Derweil wird die Aussage von Ex-Kapitän K. verlesen. Der mußte im Mai 1989 seinen Hut nehmen, weil er sich weigerte, hunderte Tonnen mehr Zement als zugelassen zu laden: „Kann ich mir gar nicht vorstellen“, sagt Heiner B. So ein Kapitän wehrt sich doch, will auch B.s Rechtsanwalt dem Schiffsführer die Schuld am Untergang in die Schuhe schieben. „Keine Nachfragen.“Das ist der Staatsanwalt. Raunen im Publikum: Wußten die Reeder von der Überladung? Mußte diese zwangsläufig zum Untergang führen? Oder war es das Leck im Maschinenraum? Viele Fragen bleiben offen. Offen, weil sie niemand stellt. Heike Haarhoff