Immer mehr Unistreiks, noch weniger Bafög

■ Von Hessen greifen die Studentenproteste auf Berlin, Köln, Bonn und Halle über. Gleichzeitig beschließen die Finanzminister, bei der Studienförderung weiter zu sparen

Berlin (taz) – Der Streit um die deutschen Hochschulen eskaliert. Obwohl die Welle der Studentenproteste in Hessen gestern auf weitere Bundesländer übergriff, beschlossen die Finanzminister der Länder, die Ausbildungsförderung für Studierende zu halbieren. 1999 sollen nur noch 1,5 Milliarden Mark für das Bafög aufgewendet werden. 1992 waren es noch rund drei Milliarden gewesen.

Unterdessen wuchsen die Proteste deutscher Studierender gegen die Finanzmisere an den Hochschulen an. An den Unis Bonn, Köln und Halle wurde der Lehrbetrieb ausgesetzt, um gegen Sparmaßnahmen im Bildungsbereich zu protestieren. In Berlin erklärten sich Studierende an der Humboldt-Universität solidarisch. An der Freien Universität Berlin (FU) verabschiedeten gestern über 1.000 Studierende in einer Vollversammlung eine Resolution: Sie forderten unter anderem, Studiengebühren gesetzlich zu verbieten und die Hochschulen bedarfsgerecht zu finanzieren. In der ersten Dezemberwoche sollen bundesweite Aktionen auf die Finanzmisere aufmerksam machen.

Die Finanzminister gossen mit der Bafög-Halbierung Öl ins Feuer, denn eine zentrale Forderung der Studierenden ist eine Reform des Bafögs, die allen eine Grundsicherung garantiert. So drohen die Auseinandersetzungen nun zu eskalieren. An der FU war es in Berlin schon am Mittwoch zu Rangeleien zwischen Ordnungskräften und Studierenden gekommen, die eine Sitzung des Akademischen Senats verhinderten.

Studierende der Uni Bonn riegelten gestern das Hauptgebäude ab. Nur Kommilitonen mit Prüfungsterminen gelangten in ihre Seminare. Auch in Bonn versammelten sich mehr als 1.000 Studierende im Innenhof der Uni. Sie sprachen sich für einen unbefristeten Streik aus, der für sämtliche Fachbereiche gelten soll. Statt der regulären Veranstaltungen finden Alternativseminare statt, die teilweise auch Professoren mitorganisieren. Der Streik richtet sich gegen „unerträgliche Studienbedingungen“ und weitere Reglementierungen des Studiums durch die von Bund und Ländern beabsichtigte Novellierung des Hochschulrahmengesetzes.

Seit sich die Proteste ausweiten, erhalten die Studierenden Solidaritätsbekundungen von ungewohnter Seite. „Ich verstehe die Studenten“, sagte Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) der taz. „Es ist richtig, daß sie laut und deutlich für eine bessere Lehre und Forschung eintreten.“ Auch bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zeigt man sich erfreut darüber, daß „Studierende endlich ihre Finger heben“. Die bevorstehende Novelle des Hochschulrahmengesetzes (HRG) sei nicht in allen Aspekten optimal, sagte Sprecherin Susanne Schilden. Der studentische Dachverband (fzs) lehnte unterdessen die Novelle ab. Der neue HRG-Entwurf sehe keine Demokratisierung der Hochschulen vor. „In das neue Hochschulrahmengesetz muß außerdem ein generelles Verbot von Studiengebühren“, forderte fzs-Sprecherin Ulrike Gonzales. Noel Rademacher

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