■ Ökolumne
: kein Blut für CO2 Von Thomas Worm

Frage: Was haben die kommende Klimakonferenz von Kioto und Saddam Hussein gemein? Antwort: Ihre politische Bedeutung steht oder fällt mit einer drastischen Verminderung des Kohlendioxidausstoßes.

Zugegeben, zugespitzt. Aber nicht falsch. Während sich Al Gore und Bill Clinton kleinlaut von den Beschlüssen des UN- Erdgipfels in Rio verabschieden und noch viele Jahre ungebremst Treibhausgase in die Biosphäre pusten wollen, läßt die US-Regierung am Golf ihre Muskeln spielen. Unter Berufung auf Sanktionsbeschlüsse des UN-Sicherheitsrats. Gegen den Gaskrieger Saddam Hussein gehen Flugzeugträger in Stellung. Zweierlei UN-Beschlüsse, zweierlei Maß.

Das diplomatische Comeback Rußlands mal beiseite gelassen: Die Heuchelei des Westens und seiner militärischen Wortführer besteht nicht allein darin, nur dann eine „Glaubwürdigkeitskrise“ der UN zu beschwören, wenn es ihnen in den Kram paßt. Auch die Tatsache, daß Saddam Hussein der Supermacht wieder den Stinkefinger zeigt, hat sich Washington selber zu verdanken. Der Schlächter aus Takrit wurde als Kreatur des Westens groß. Eine brutale „Brennstoff- Despotie“ wie die Saddam Husseins besäße weder die wirtschaftliche Basis noch die militärische Potenz und schon gar nicht die politische Bedeutung, lagerten in der Golfregion nicht 65 Prozent der Weltölreserven, ein erheblicher Teil davon im Irak. Und vor allem: Wäre die westlich geprägte Industriekultur mit ihren automobilen CO2-Junkies nicht so abhängig vom Öl.

Zur Erinnerung: Das Staatsgebilde Irak mit seinen Kurden im Norden, Sunniten im Zentrum und dem schiitischen Süden zimmerte das britische Empire während der ersten Jahrhunderthälfte aus Resten des Osmanischen Reiches. Mit Blick auf die Ölvorräte am Golf. Eingekeilt zwischen Iran, Türkei, Syrien und Saudi-Arabien sorgte der Irak lange für eine Machtbalance und damit für freie Versorgungswege. Bis zur Schiitenrevolution im Iran. Weil der US-geführte Westen Chomeinis anstachelnde Reden fürchtete, päppelte er den selbsternannten General Hussein mit hoch – durch Waffen, Dollars und Militärlogistik. Das Kalkül westlicher Geostrategen im 1. Golfkrieg (1980–88): zwei unberechenbare Regionalmächte ausbluten zu lassen, um den Status quo in der Ölregion zu erhalten.

Stets haben die Demokratien des Nordens am Golf auch ihr Konsummodell des großen Energiehungers geschützt. Es ging keineswegs nur um den arabisch-israelischen Konflikt, den drohenden Einsatz von Massenvernichtungswaffen oder die Besetzung des souveränen Kuwait. Für all dies stand ja der „Hitler von Bagdad“. Warum wurde er dann nicht mit Hilfe der USA weggefegt, als sich nach dem 2. Golfkrieg die Schiiten und Kurden im Irak erhoben? Den Ausschlag gab sicherlich die Überlegung, daß ein geschwächter Saddam Hussein fürs „Gleichgewicht der Potentaten“ in der Ölregion besser sei als gar keiner.

Jetzt, als wieder die Cruise Missiles ausgepackt wurden, herrschte die Medienzeit finsterer Psychogramme: Saddam, der uneheliche Bastard. Saddam, der bewaffnete Schuljunge. Saddam, der Genickschußmörder. Doch im Gewaltmenschen Hussein offenbart sich die Nachtseite der ölsüchtigen Mobilitätsgesellschaft. Wie abfackelndes Raffineriegas nährt sich Saddam Husseins Flamme vom schwarzen Gold. Lebt, weil es die verdrängten Abscheidungen des großen Energiehungers gibt.

Ein um den Faktor vier oder gar zehn gesenkter Ressourcenverbrauch würde den Bann eines jeden Saddam Hussein brechen. Und ohne fossile Brennstoffe – kein Klimakollaps. Womit wir wieder bei Kioto wären. Die prinzipielle Bereitschaft westlicher Demokratien zu High-Tech-Angriffen in der Golfregion läßt sich auch als „kalter Ressourcenkrieg“ deuten. Smart bombs als tödliche Botschafter CO2-intensiver Lebensart. Vor diesem Hintergrund lesen sich die verteidigungspolitischen Richtlinien zu den „vitalen wirtschaftlichen Sicherheitsinteressen Deutschlands“ bedrohlich. Ist doch ihr Ziel die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“. Also auch Öl und die Freiheit, im Treibhaus zu sterben. Warum nur bedeutet Gunpower für Kohlendioxid soviel und eine erdverträgliche Zukunft sowenig?