Das Gedenken der Feigenblätter

■ Mölln: Schweigemarsch für die Opfer des Brandanschlags vor fünf Jahren

Die Schrecken sind nach fünf Jahren verblaßt in Mölln. In den frühen Morgenstunden des 23. November 1992 warfen Michael Peters, damals 25, und Lars Christiansen, damals 19, Molotow-Cocktails zunächst in ein Wohnhaus in der Ratzeburger Straße, kurz darauf in das Treppenhaus eines Gebäudes in der Mühlenstraße. Bei dem rechtsradikalen Brandanschlag starben die 51jährige Bahide Arslan, ihre zehnjährige Enkelin Yeliz und ihre 14jährige Nichte Ayse in den Flammen.

Peters wurde im Dezember 1993 zu lebenslanger Haft, Christiansen zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt. Er sei davon überzeugt, daß „die Ausländer“ihm die Chancen auf einen Arbeitsplatz genommen hätten, erklärte Peters vor Gericht.

„Das Image von Mölln hat gelitten, noch heute werden wir darauf angesprochen“, sagt Bürgermeisterin Margrit Schult, „dabei hätte das in jeder anderen Stadt geschehen können“. Eine Gedenkveranstaltung der Stadt zum fünften Jahrestag der Anschläge hat es aber nicht gegeben. Dafür organisierte der im Dezember 1992 gegründete, rund 130 Mitglieder zählende Verein „Miteinander leben“gestern abend eine ökumenische Andacht und einen Schweigemarsch zu den beiden Brandhäusern, an denen etwa 250 Menschen teilnahmen.

Seit 1996 betreibt der Verein mit Unterstützung der Stadt eine Begegnungsstätte hinter dem Brandhaus in der Mühlenstraße. Der ursprüngliche Plan, sie in dem Brandhaus selbst einzurichten, wurde von der Stadt verworfen. „Wohl aus finanziellen Gründen“, vermutet Sabine Tetzlaff, die Leiterin der Begegnungsstätte. Das Haus, das der Stadt gehört, wurde renoviert. Heute wohnen die Überlebenden der Familie Arslan wieder dort – auf eigenen Wunsch, wie Bürgermeisterin Schult betont.

Nach Angaben der Lübecker Staatsanwaltschaft gibt es heute im Kreis Herzogtum Lauenburg keine organisierte rechte Szene mehr. „Vereinzelt flackert da wieder was auf“, sagt der Veinsvorsitzende Axel Michaelis. Kürzlich wurden Hakenkreuze in die Gedenktafel geritzt, die an der Begegnungsstätte an die Ermordeten erinnert.

Für Mölln sei der Verein so etwas wie ein Feigenblatt, sagt Tetzlaff. „Die Stadt verweist gern auf uns, wenn nach den Konsequenzen aus den Anschlägen gefragt wird. Aber wenn wir gegen rechte Umtriebe demonstrieren, wie zum Beispiel gegen einen von der NPD geplanten Fackelzug durch die Mühlenstraße im vorigen Jahr, sucht man die Mitglieder der Ratsversammlung meist vergebens.“

Eva-Maria Mester