PDS auf Realokurs

■ Berliner Postkommunisten ringen um „Sofortprogramm“ für das Wahljahr 1998

Der Anlaß war eigentlich ein geringer: der Parteitag der Berliner PDS. Trotzdem rangelten am Wochenende die versammelten Köpfe der PDS-Bundesführung um das Saalmikrofon. Im Streit um das „reformpolitische Sofortprogramm“ fochten die RealpolitikerInnen einen Stellvertreterkampf gegen die „systemoppositionelle FundamentalistInnen“. Im Kern ging es dabei um den politischen Kurs der Gesamtpartei im kommenden Wahljahr.

Um die Wähler zu überzeugen, so betonte der Bonner PDS-Gruppenchef Gregor Gysi, müsse die Partei „mehr Politikfähigkeit“ beweisen. Die Partei brauche „Zukunftsvisionen, die realistisch und umsetzbar sind“, sagte Gysi. Dafür habe der Berliner Landesverband mit dem Sofortprogramm den ersten Schritt getan; dem müßten nun andere PDS-Landesverbände folgen. Auch Parteichef Lothar Bisky ermahnte die renitenten VerweigererInnen einer PDS-Realpolitik. „Die PDS hat den Ostdeutschen ihr Wort gegeben, sich um ihre Interessen zu kümmern“, sagte Bisky. Deshalb dürfe sich die Partei Beschlüssen nicht verweigern: Schließlich habe die PDS in Berlin ein Sofortprogramm vorgelegt, das umsetzbare Vorschläge für einen Regierungswechsels mache.

Nach solch weihevollen Mahnungen ging das umkämpfte Programm – darin hat die PDS Vorschläge für die Veränderung der Regierungspolitik an den Themen Arbeitsmarkt, Wohnungsförderung und innere Sicherheit erarbeitet – gestern in die Abstimmung. Während der Landesvorstand ebenso wie die PDS-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus mit Vorschlägen zur Privatisierung von Landesbetrieben und zur Umverteilung von Arbeit im öffentlichen Dienst in die aktuelle Debatte eingreifen wollen, hält es ein anderer Teil der Partei für ausgeschlossen, grundsätzliche Veränderungen zu erreichen. Deshalb müsse die PDS angesichts der bestehenden Verhältnisse eine reine Oppositionspartei bleiben, hieß es. Dazu lag ein Antrag mehrerer Bezirksverbände vor, das Sofortprogramm nicht zu verabschieden. Bis Redaktionsschluß gab es noch kein Gesamtvotum über das Sofortprogramm. Barbara Junge