piwik no script img

■ Israel: Netanjahu rettet sich von einem Skandal in den nächstenDie Logik des Machterhalts

Das Motto ist denkbar einfach – In die Krise hinein und wieder aus der Krise heraus, mit allen Mitteln. Ob glatte Lügen oder gebrochene Versprechen, Benjamin Netanjahu ist nicht zögerlich, wenn es um den Erhalt der Macht geht. In den ersten 17 Monaten seiner Amtszeit hat sich Israels Ministerpräsident von Skandal zu Skandal gehangelt. Und immer geht es um seine Person, seine Entscheidung und seine Führungsqualität. Von der Bar-On-Affäre über den gescheiterten Anschlag auf Hamasführer Mashdal in Amman bis zum „Prinzen-Aufstand“ im Likud.

Jedem Skandal folgt eine meist langwierige und wenig produktive Untersuchung. Und jedesmal erklärt Netanjahu zum Abschluß der Untersuchungen: „Ja, es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht, das soll nicht wieder vorkommen.“ Es folgt ein Bauernopfer. Schlußstrich. Minister und Abgeordnete, Presse und Öffentlichkeit wundern sich noch über das Geschehene – schon steht der nächste Skandal vor der Tür. Von politischen Fehlentscheidungen wie dem Bau auf Har Homa oder der Tunnelöffnung in Jerusalem ganz abgesehen.

Netanjahus Fähigkeit, sich aus jeder Krise herauszuwinden, scheint unbegrenzt. Doch die Opfer, die er bringen muß, werden größer – und die Schwäche, die er eingestehen muß, wächst von Krise zu Krise. Nach dem Rücktritt seines Bürochefs und engsten Vertrauten Avigdor Liebermann ist es einsam geworden um den Mann an der Spitze Israels. Aber noch sind seine Tage nicht gezählt. Die Kunst der politischen Tricks beherrscht er aus dem Effeff. Und er wird nicht zögern, sie auszuspielen, wenn es um den Machterhalt geht. Doch seine politische Isolation wächst. US-Präsident Clinton weigert sich, ihn zu empfangen. Madeleine Albright droht ihm öffentliche Schelte an, wenn er sich nicht endlich an die Interimsvereinbarungen mit den Palästinensern hält und einen nennenswerten Rückzug der israelischen Armee aus dem Westjordanland anbietet. Die Europäer beschuldigen ihn längst öffentlich, den Friedensprozeß zu sabotieren. Und an der Heimatfront drohen ihm die Groß-Israel- Protagonisten mit dem Bruch der Koalition, sollte er den Siedlungsbau stoppen oder auch nur einen Quadratzentimeter besetzten Landes aufgeben.

Was immer Netanjahu nun tun wird – eines ist unbestritten: seine Fähigkeit, keinen, aber auch gar keinen Skandal auszulassen. Am Ende muß er gar nicht mehr gestürzt werden, weil er sich selbst zu Fall bringt. Aber das kann dauern, wie wir aus Erfahrung wissen. Georg Baltissen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen