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Angst in der Bastion des alten Afrika

Das Regime von Omar Bongo in Gabun ist solide gegründet auf Frankreich und Ölmilliarden. Aber seit dem Umsturz im Nachbarland Kongo-Brazzaville ist die Ruhe vorbei. Wer Politik machen will, rüstet sich für Gewalt  ■ Aus Libreville François Misser

Gabuns Hauptstadt Libreville ist eine Hauptstadt der Illusionen. Hochmoderne Hochhäuser säumen die Meerespromenade. Die Hotels sind frisch gestrichen. Mehr neue französische und japanische Wagen rollen hier auf den Straßen als irgendwo sonst in Zentralafrika. Es herrscht der Eindruck von Wohlstand und Sauberkeit. Restaurant- und Telefonrechnungen bestätigen schnell, daß Libreville eine der teuersten Städte der Welt ist. Kein Wunder: Die hochbezahlten ausländischen Experten, die auf den Ölbohrtürmen vor der Küste im Atlantischen Ozean arbeiten, machen hier Station.

Gabun ist Afrikas Ölemirat. Sein Bruttosozialprodukt pro Kopf liegt bei 3.800 Dollar und ist damit das höchste in Schwarzafrika, noch vor Südafrika. Die Ölförderung liegt in den Händen des französischen Elf-Konzerns, von den 1,1 Millionen Einwohnern des Landes sind 20.000 Franzosen. Gabuns Wirtschaft ist nach außen gerichtet: Die Exporteinnahmen machen die Hälfte des Bruttosozialprodukts aus, 80 Prozent davon kommen vom Ölexport. Die meisten Gegenstände des täglichen Bedarfs werden importiert. Und sogar die einheimischen Bananen sind hier zwei- bis dreimal teurer als im Nachbarland Kamerun.

So ist hinter den schönen Fassaden das Überleben nicht einfach. 60 Prozent der Bevölkerung leben nach UN-Angaben unter der Armutsgrenze. Verläßt man das glitzernde Stadtzentrum von Libreville, findet man in Slumvierteln wie Nombakele oder Lalala dieselben anarchischen Ansammlungen von Wellblechdächern und stinkenden offenen Abwasserkanälen wie überall in Afrika. Hier drängen sich die Wanderarbeiter aus Kamerun und Westafrika, die trotz wiederholter Massenausweisungen immer wieder zu Zehntausenden ins reiche Gabun strömen.

Die schreienden sozialen Ungleichheiten Gabuns bilden einen fruchtbaren Boden für politische Frustrationen. Aufgrund der jüngsten Umwälzungen im Nachbarstaat Kongo-Brazzaville treten diese nun offen ans Tageslicht. In Brazzaville stürzte der ehemalige Militärdiktator Denis Sassou- Nguesso Mitte Oktober nach viermonatigem blutigem Bürgerkrieg den gewählten Präsidenten Pascal Lissouba. Sassou-Nguesso ist der Schwager von Gabuns Präsident Omar Bongo.

Die Opposition in Gabun betrachtet Sassou-Nguessos Machtergreifung als düsteren Präzedenzfall für das frankophone Afrika. Daß weder Frankreich noch die internationale Gemeinschaft den Umsturz in Brazzaville verurteilten, gilt als Ermunterung für Bongo, die Mitte 1998 anstehenden Präsidentschaftswahlen in Gabun notfalls zu fälschen.

„Sagen Sie mir: Welches Wunder hat bewirkt, daß die Leute hier in Libreville innerhalb weniger Monate zweimal völlig ihre Meinung geändert haben?“ fragt ein erzürnter Marineoffizier. Er meint die erstaunlichen Wahlergebnisse der letzten Monate: Im Oktober 1996 gewann die Oppositionspartei RNB („Nationale Sammlung der Holzfäller“) überragend die Kommunalwahlen und bestätigte diesen Sieg im Januar 1997 mit einer noch größeren Mehrheit, nachdem die Regierung die erste Wahl annulliert hatte. Aber zwischen Oktober und Januar fanden Parlamentswahlen statt – und die gewann die regierende ehemalige Einheitspartei PDG („Gabunische Demokratische Partei“).

„Bongo darf nicht lebendig abtreten!“

Die Opposition sieht sich als Interessenvertretung der Bevölkerungsmehrheit, die von den Ölmilliarden nichts zu sehen bekommt. Und schon vor dem Sieg Sassou- Nguessos – der wie Omar Bongo dem französischen Elf-Konzern nahesteht – schlug die Oppositionspresse einen harten Ton an. „Ziehen wir Omar die Haut ab!“ schrieb die RNB-Zeitung Le Bûcheron bereits im Juni unter einer unschmeichelhaften Karikatur des Präsidenten. „Er darf nicht lebendig abtreten. Er muß zahlen!“

Kaum überraschend wurde die Zeitung für einen Monat verboten. Im Oktober wiederholte sie ihren Aufruf und wurde wieder verboten. RNB-Führer Paul Mba Abessolé – ein Priester, der ansonsten als kultivierter und toleranter Mensch gilt – hält offenbar nur schwer die extremeren Kräfte in seiner Partei im Zaum.

Mba Abessolé fürchtet, daß die Präsidentschaftswahl von 1998 genau wie die letzten 1990 und 1993 eine Zeit der Unruhe einleiten – angesichts der explosiven regionalen Situation besonders gefährlich. Der Oppositionschef fordert daher, daß die UNO die Wahlen organisiert. Aber auch Abessolé ist nicht nur moderat: Nach dem Einmarsch von Laurent Kabila in Kinshasa im Mai sagte er, die Gabuner würden sich massenhaft erheben, um einem gabunischen Kabila zu folgen, sollte es einen geben.

Zur Unruhe in der Opposition kommt Aufstandsstimmung bei der Nzebi-Ethnie, die im Südwesten des Landes an der Grenze zu Kongo-Brazzaville lebt und der Ethnie des dort gestürzten Präsidenten Lissouba nahesteht. Die Nzebi werfen Bongo vor, ihnen feindlich gesinnt zu sein. Nzebi- Frauen waren es, die Sassou-Nguesso am 5.November bei seiner Ankunft zu einem internationalen Gipfeltreffen am Flughafen von Libreville mit Buhrufen begrüßten. Wie in vielen afrikanischen Ländern ist das ethnische Gleichgewicht Gabuns prekär, und die unabhängige Presse schürt manchmal den Haß. Die Wochenzeitung Misamu spricht zum Beispiel von wüsten Komplotten gegen „die Söhne Egongs“ – Egong ist der mythische Vater der Fang-Ethnie, eine der größten ethnischen Gruppen des Landes und Hauptstütze der Opposition.

Längst hat in Gabun der Vorwahlkampf begonnen. Pierre-Louis Okawé, Präsident der zweitwichtigsten Oppositionspartei PGP („Gabunische Fortschrittspartei“), bemängelt das Fehlen parlamentarischer Kontrolle über die Nutzung der staatlichen Öleinnahmen. Andere Kritikpunkte: Der desolate Zustand von Gesundheits- und Bildungswesen sowie der Raubbau an den Regenwäldern, die den Großteil des Landes bedecken. Jüngst hat Gabuns Regierung Holzkonzessionen an Firmen aus Malaysia vergeben, die bekanntlich ihr eigenes Land schon verwüstet haben.

Das Bongo-Regime begegnet der Kritik einerseits mit spektakulären Wohltätigkeitsaktionen wie die Vergabe von 300.000 kostenlosen Schulranzen an die Schulkinder des Landes. Daneben bereitet es sich auf seine eigene Weise auf die Wahlen vor. Unabhängige Journalisten berichten von Einschüchterungen, wie anonyme Drohanrufe. Vor kurzem beschwerten sich die Bauern von Mamiengue in der Region Haut- Ogooué, der südöstlichen Heimatregion des Präsidenten, von Söldnern einer lokalen Größe der Regierungspartei terrorisiert zu werden. Ein Intellektueller aus der Region meine: „Das sind die Anfänge des Wahlkampfes.“

850 Vigilanten „im Sold der Staatsmacht“

Wie der Wahlkampf weitergehen könnte, zeigen nach Meinung von Oppositionellen die zunehmenden Aktivitäten der Sicherheitsfirma „Vigile Service“ in Libreville, geleitet von dem 26jährigen Hervé Patrick Opiangah. Im Juni 1996 gegründet, also kurz vor den Kommunalwahlen, nennt „Vigile Service“ als ihre Ziele den „Kampf gegen Unsicherheit in allen ihren Formen“. Opiangah erklärt: „Wir halten es für sinnvoll, eine Struktur aufzubauen, die die der Sicherheitskräfte ergänzen kann.“

Aber die Methoden seiner 850 Mitarbeiter werden in Libreville scharf kritisiert. So sollen die Vigilanten regelmäßig Einwanderer aus Nigeria und Benin verprügeln, die ihre Beiträge zur Fischereigewerkschaft nicht zahlen – die Gewerkschaft wird von Opiangah geleitet. „Vigile Service“ sei „eine Miliz im Sold der Staatsmacht“, sagt Francis Mbidou Eyene, Direktor des RNB-Rundfunksenders „Radio Soleil“, und fügt hinzu: „Wir wissen, wozu diese Milizen in der Lage sind“. Als Bongos Sieg bei den letzten Wahlen 1993 umstritten war, wurde „Radio Liberté“, ein anderer unabhängiger Rundfunksender, mit Panzern beschossen.

Die Opposition ist dem gegenüber relativ machtlos. Einerseits scheint Bongo nach 30 Herrschaftsjahren weniger verhaßt zu sein als andere langjährige afrikanische Patriarchen. Es existiert eine relative Meinungsfreiheit, der Präsident schreibt sogar unter dem Pseudonym Makaya in der Regierungszeitung L'Union Kolumnen im Straßenslang, in denen er die Aktivitäten seiner Minister zuweilen deftig auseinandernimmt.

Zum anderen ist die Opposition gespalten: RNB und PGP mögen sich überhaupt nicht. Die Spaltung der Opposition zeigt sich am offensten an dem heikelsten Thema der gabunischen Politik: die französische Militärpräsenz. Die PGP, die sich an Frankreichs letzte Militärintervention in Gabun 1990 erinnert, spricht von einer verdeckten Unterstützung Frankreichs für das Regime. Die RNB will an dieses Thema nicht rühren, um sich als verantwortliche Kraft darzustellen. Mit ihrer Haltung kann die RNB auf die Unterstützung vieler Gabuner zählen, die nach den regionalen Unmwälzungen dieses Jahres die Franzosen als Schutzschild gegen ein Überquellen der Konflikte aus den Nachbarländern schätzen. Gabuns Armee, geleitet von französischen und marokkanischen Söldnern, ist eine zu vernachlässigende Größe.

„Zumindest“, so seufzt ein Oppositioneller, „hat Bongo uns bis jetzt keinen Krieg beschert.“ Das ist in Zentralafrika heute schon eine Leistung.

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