Ausschuß als Trostpflaster für die Draußengebliebenen

■ In drei Wochen will die EU ihre Favoriten für die Osterweiterung benennen. Klar ist, daß nicht alle in der ersten Runde dabei sind. Die Verlierer sollen mit einem Ausschuß abgespeist werden

Brüssel (taz) – Manchmal beklagt sich der deutsche Außenminister über seinen Terminkalender: Die unzähligen EU-Sitzungen, Ministerräte, Gipfeltreffen und Konferenzen ließen kaum noch Zeit zum Nachdenken. Der sonst so forsch auftretende Klaus Kinkel wirkt dann etwas abgehetzt und ratlos.

Und damit beginnt der Teufelskreis: Wenn Kinkel ratlos ist, schlägt er einen neuen Ausschuß vor. Vorgestern war wieder so ein Tag. Die 15 EU-Außenminister rangen in Brüssel um ein Gesamtkonzept, mit dem in drei Wochen, beim nächsten Gipfel, die Osterweiterung eingeläutet werden soll. Die zentrale Frage: Wie kann man sechs Länder zu Beitrittsverhandlungen einladen, ohne den anderen fünf Anwärtern alle Hoffnung und damit die Motivation für weitere Reformen zu nehmen?

Kinkels Antwort: Durch einen Verhandlungsstart mit der ersten Gruppe und einen neuen Erweiterungsausschuß für die anderen. Die regelmäßigen Treffen mit der EU sollen Ländern wie Lettland oder Bulgarien das warme Gefühl geben, die Tür werde für sie aufgehalten. Der Erweiterungssausschuß ist nicht mit der Europakonferenz zu verwechseln, für die sich Bundeskanzler Kohl stark macht. Die war zwar einmal für diesen Zweck gedacht, hat aber inzwischen eine andere Funktion: Sie soll der ebenfalls um Aufnahme ringenden Türkei die Hand reichen, um sie auf Distanz zu halten.

Auf den Tagungen der Europakonferenz werde „über alles geredet“, versicherte Klaus Kinkel in Brüssel, „außer über Beitrittsfragen“. Dafür sei der Erweiterungsausschuß zuständig. Damit keine Zweifel aufkommen, wird die EU zur Europakonferenz neben den elf Beitrittskandidaten und der Türkei auch Norwegen und die Schweiz einladen. Die beiden Länder haben sich mehrfach gegen eine EU-Mitgliedschaft gewehrt und wollen nicht darüber reden.

Doch nicht alle EU-Regierungen sind mit dieser Dreiklassen-architektur im Wartezimmertrakt des Europäischen Hauses einverstanden. Am wenigsten Probleme haben sie noch damit, die Türkei mit der Holzklasse abzuspeisen. Nur Griechenland sperrt sich, weil Athen jeder Kontakt der EU mit der Türkei zu weit geht. Über die Behandlung der anderen elf Kandidaten gehen die Meinungen aber weit auseinander. Die EU-Kommission hatte in der Agenda 2000 nur Estland, Polen, Ungarn, Tschechien und Slowenien genügend Reife bescheinigt, ihre Systeme in absehbarer Zeit auf EU- Standard zu trimmen.

Zypern wird aus politischen Gründen in diesen Kreis aufgenommen, weil Athen darauf besteht und sonst noch bockiger wird, wenn es um die Türkei geht. Nach Bonner Vorstellungen soll die EU im kommenden Frühjahr mit diesen sechs Ländern die Aufnahmeverhandlungen beginnen. Die werden einige Jahre dauern. Daß alle gleichzeitig aufgenommen werden, ist nicht zu erwarten, weil die EU das kaum verkraften würde.

Doch Dänemark und Schweden möchten auch Litauen und Lettland die Chance erhalten, durch zügige Reformen noch in den ersten Kreis aufzurücken. Österreich will dasselbe für die Slowakei erreichen. Die drei Regierungen schlagen deshalb vor, erst einmal mit allen Kandidaten technische Fragen zu klären, etwa welche nationalen Gesetze noch vor dem EU-Beitritt angeglichen werden müssen.

Sieben bis acht Monate werden dafür veranschlagt, danach könne man immer noch sehen, wer für ernsthafte Verhandlungen noch nicht reif ist. Die Bundesregierung, deren Interesse sich auf Polen und Tschechien konzentriert, fürchtet, daß sich der ganze Beitrittsprozeß verzettelt. Einige Regierungen fänden das gar nicht so schlecht. Denn die EU kann die Erweiterung nur verkraften, wenn sie die Agrarpolitik und die Strukturhilfen für unterentwickelte Regionen reformiert. Eine Ausweitung des jetzigen Systems allein auf Polen würde den EU-Haushalt sprengen.

Spanien und Portugal haben jetzt erneut betont, daß die Erweiterung nicht auf ihre Kosten gehen dürfe. Sie wollen Garantien, daß die EU auch in Zukunft ihre Landwirtschaft und ihren Straßenbau in gewohntem Umfang subventioniert. Damit ist klar, worum in drei Wochen in Luxemburg gestritten wird: ums Geld. Denn auch der deutsche Finanzminister will künftig eher weniger als mehr in die EU zahlen. Doch das geht nur, wenn Länder wie Dänemark oder Österreich zur Kasse gebeten werden. Die wissen auch schon, was sie dafür haben wollen: Eine Chance für Litauen, Lettland und die Slowakei. Alois Berger