„Nigger raus“, Drohungen und Prügel

Der Ghanaer Martin Agyare (28) wurde in Brandenburg erneut Opfer eines fremdenfeindlichen Überfalls. Vor drei Jahren überlebte er einen Angriff schwer verletzt. Die Täter wurden nie gefunden  ■ Aus Berlin Bettina Markmeyer

Zum zweiten Mal in drei Jahren ist der 28jährige Ghanaer Martin Agyare in einem Nahverkehrszug bei Berlin überfallen worden. Agyare wehrte sich mit einem Schuß aus einer Gaspistole. Er traf einen 17jährigen ins Gesicht. Die fünf Angreifer im Alter von 17 und 18 Jahren hatten Agyare am vergangenen Sonnabend im Regionalzug von Berlin-Wannsee nach Belzig beschimpft und geschlagen.

Bundesweit bekannt wurde Martin Agyare durch die Brutalität des ersten Überfalls und seine spätere Aussage, etwa 15 Personen seien Zeugen des Angriffs gewesen, ohne ihm zu helfen. Er wurde am 17. September 1994 bewußtlos und lebensgefährlich verletzt an einer Berliner S-Bahn-Strecke gefunden. Sein linker Unterschenkel und zwei Zehen am rechten Fuß mußten amputiert werden, er hatte Stichverletzungen und einen Schädelbruch. Sechs Skinheads hätten ihn beschimpft, geschlagen und auf ihn eingestochen und aus dem Zug gestoßen, sagte Agyare aus. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelte wegen Mordversuchs. Doch die Täter wurden nie gefunden, das Ermittlungsverfahren mußte 1996 eingestellt werden, an Agyares Aussagen waren zwischenzeitlich Zweifel aufgekommen.

Das Motiv für den neuerlichen Überfall auf Agyare ist eindeutig Fremdenhaß: Nach den Ermittlungen der Potsdamer Polizei beschimpften die Fans des Berliner Fußballclubs Hertha BSC Agyare mit „Nigger raus“ und „Deutschland den Deutschen“ und bespuckten ihn, bevor ihm einer mit der Faust ins Gesicht schlug. Als ein anderer mit einer Hertha-Fahne auf ihn losging, zog Agyare seine Gaspistole und schoß, danach floh er zur Schaffnerin. Diese rief per Funk die Polizei und schloß sich mit dem Ghanaer im Dienstabteil ein. Die Angreifer zogen indessen die Notbremse, um einen Arzt für den verletzten 17jährigen zu holen. Dieser wurde später in einer Potsdamer Klinik operiert. Ermittelt wird gegen alle fünf Jugendlichen wegen Beleidigung, Volksverhetzung und Körperverletzung. Nach Überprüfung ihrer Personalien waren sie noch Sonnabend nacht freigelassen worden. Der Polizei sind sie bereits wegen Verwendung verfassungswidriger Symbole bekannt. Sie sollen im Laufe der Woche vernommen werden.

Die Polizei sucht weiter nach zwei Fahrgästen, die Zeugen des Überfalls gewesen sein sollen.

Auch gegen Martin Agyare wird wegen Körperverletzung ermittelt. Der Ghanaer lebt bei einer Gastfamilie in Belzig bei Potsdam. Die Familie, die im März dieses Jahres von der brandenburgischen Ausländerbeauftragten Almut Berger für ihre „Zivilcourage und Toleranz“ ausgezeichnet wurde, ermöglichte Agyare eine Umschulung, da er mit seiner Beinprothese seinen Beruf als Maurer nicht mehr ausüben kann. Nach dem Überfall vor drei Jahren erhielt Martin Agyare eine Aufenhaltsbefugnis aus humanitären Gründen. Der Ghanaer war 1992 nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag wurde 1994 allerdings abgelehnt.

Im Büro der brandenburgischen Ausländerbeauftragten zeigte man sich gestern schockiert über den neuerlichen Angriff auf Agyare.