■ Welt Weit Grönling
: Wieder offline mit Microsoft

Wenn sich ein Produkt zehnmal häufiger verkauft als ein vergleichbares der Konkurrenz, bedeutet das noch lange nicht, daß es auch das beste am Markt ist. Und wenn auf neun von zehn Computern Windows installiert ist, sagt das nichts über die Qualität anderer Betriebssysteme aus. Aus der Sicht eines EDV-Praktikers sind sie alle besser: UNIX, Linux und OS/2. Auch gab es vor noch gar nicht allzu langer Zeit einen Rechner namens NeXT, der alles andere in den Schatten stellte. Nur leider mit dem falschen Marketingkonzept. Sogar das System mit dem angebissenen Apfel kann da mithalten. (Diese Kisten vermitteln immer so ein esoterisches Alles-wird- gut-Gefühl.) Und von den einst so genialen Heimcomputern Atari und Amiga redet heute kein Mensch mehr.

Man muß sich das ab und zu mal ins Gedächtnis rufen, um zu verstehen, was hier passiert. Zum Beispiel im Internet. Vor zwei Jahren war es noch nicht so selbstverständlich wie heute. Die Wahl zwischen geschmacksverstärktem T-Online, AOL, CompuServe und naturbelassenem Internet war eine echte Entscheidung. Dann kam Gates mit Windows 95, und der Zugang zu seinem Microsoft Network wurde gleich mit installiert. Zwangsweise, denn das ist selbst dann nicht zu verhindern, wenn man nur das nackte Windows ohne Firlefanz will. Heute macht er wieder dasselbe, läßt den Internet-Explorer auf neue Rechner vorinstallieren – und kriegt Ärger mit der Justiz.

Aber sein „Microsoft Network“ ist nur in den USA erfolgreich. Hierzulande hat es ihm noch nicht mal 100.000 Kunden eingebracht. Das ist zuwenig für Gates, er stellt seinen Onlinedienst in Europa ein und beschränkt sein Angebot auf den reinen Internet-Zugang. In Deutschland waren die Leitungen ohnehin von EUnet gemietet – jenem Großprovider, der sich heute „UUNet“ nennt und zum Netzgiganten Worldcom gehört. Wozu dann noch MSN? Nein, aus dem Hause Gates ist noch niemals etwas richtig Eigenes gekommen. Fenster und Maus sind von Xerox erfunden worden, den Quellcode des Urbrausers kann man noch heute bei der amerikanischen „National Supercomputing Agency“ (NSCA) umsonst abholen.

Das ganze Internet basiert auf ein paar einfachen UNIX-Protokollen. Kompliziert wird es erst dann, wenn alles an die Gegebenheiten von Windows angepaßt werden muß. Darüber kann Mr. Gates nicht hinwegtäuschen – auch wenn er beim fröhlichen Explorer-Puschen mal wieder so tut, als sei das alles eine ganz tolle Neuheit. Dieter Grönling

dieter@taz.de