Stoiber und Biedenkopf geraten unter Druck

■ Gegen die Regionalisierung der sozialen Sicherungssysteme formiert sich parteiübergreifend Widerstand. Seehofer will Risikostrukturausgleich „ohne Regionalisierung“ zustimmen

Frankfurt/Bonn (AP/dpa) – Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat sich vorgestern der von Bayern und Baden- Württemberg erhobenen Forderung nach Regionalisierung der sozialen Sicherungssysteme angeschlossen und damit die Auseinandersetzung verschärft.

Der Berliner Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sagte gestern, die Regionalisierung „führt in die falsche Richtung und würde letztlich die soziale und wirtschaftliche Einheit Deutschlands gefährden“. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer zeigte sich zuversichtlich, die Hilfen für die ostdeutschen Krankenkassen ohne Einstieg in die Regionalisierung durchsetzen zu können. Seehofer sagte, das Gesetz über den gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich solle am 9. Dezember in den Koalitionsfraktionen beschlossen werden – „ohne Regionalisierung“. Die von den meisten Bundesländern signalisierte Unterstützung könne man am besten „dadurch probieren, daß wir abstimmen“. Der Bonner Minister wies zudem darauf hin, daß Bayern und Baden-Württemberg aus dem Risikostrukturausgleich der gesetzlichen Krankenversicherung dreimal soviel erhielten wie alle ostdeutschen Kassen zusammen.

Noch schärfer als die Unionspolitiker gingen die Sozialdemokraten mit der Initiative ins Gericht. Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine nannte sie eine „Dreistigkeit, die nicht zu überbieten ist“. „Das strukturschwache Bayern hat jahrzehntelang vom Strukturausgleich gelebt. Es ist schäbig, sich jetzt daraus zu verabschieden“, sagte der saarländische Ministerpräsident am Mittwoch bei der Generalaussprache des Bundestags über den Etat des Jahres 1998.

„Kein anderes Bundesland hat sich so aus dem Bundesetat bedient in den letzten Jahren wie Bayern mit über 100 Milliarden Mark“, sagte Lafontaine. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping sagte: „Diese Übertragung separatistischen Denkens auf die Bundesrepublik ist eine Schande für das Land.“

Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos, wies die Kritik zurück. Ein Beschluß sei noch nicht gefaßt worden, sagte er. Jedoch habe die CSU eine „nützliche Diskussion darüber angestoßen, was mit den Mitteln des Länderfinanzausgleichs geschieht“.

Auch der CSU-Franktionschef im bayerischen Landtag, Alois Glück, war gestern um Schadensbegrenzung bemüht. Er kritierte die Diskussion in der CSU über eine Regionalisierung der Sozialkassen. Eine intensivere Vorbereitung der Partei wäre wünschenswert gewesen, sagte Glück gestern in München. Kommentar Seite 12