Der grüne Stern in Hessen sinkt

Rupert von Plottnitz war nach dem Weggang von Joschka Fischer der Star der hessischen Grünen. Mit der jüngsten Affäre hat er nicht nur sich selbst beschädigt  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Das hatte Stil. Oberstaatsanwalt Wolfgang Greth verzichtet am Mittwoch darauf, die eventuell anstehende Ermittungsarbeit gegen seinen obersten Dienstherren, den hessischen Justizminister Rupert von Plottnitz, selbst zu übernehmen. Keine Rachegelüste gegen den grünen Minister bei Greth – statt dessen fast überall Schadenfreude; offen bei Union und FDP, klammheimlich wohl auch bei den Sozialdemokraten. Schließlich war es von Plottnitz gelungen, die ätzende Kritik der Öffentlichkeit an Finanzminister Karl Starzacher (SPD), dessen Steuerfahnder – mit seiner nachträglichen Billigung – die Vorstände von zwei Sparkassen vor Durchsuchungen ihrer Geschäftsräume warnten, neu zu kanalisieren, und zwar auf sich selbst.

Das hatte allerdings keinen Stil. Denn daß gerade der ehemalige „Linksanwalt“ Rupert von Plottnitz gegen das Verfassungsgebot der Gewaltenteilung verstieß, als er Oberstaatsanwalt Greth (CDU) vom Ermittlungsverfahren gegen Starzacher (SPD) abberief – das kostete ihm viele Sympathiepunkte. In einer anderen Sache hatte der Minister noch vor wenigen Monaten die Unabhängigkeit der Justiz von der Politik vehement verteidigt. „Irgendwann knallen die auf den Ministersesseln trotz bester Kinderstube einfach durch“, sagt ein Rechtsanwalt, der noch in den achtziger Jahren mit dem Anwalt befreundet war.

Minister werden wollte der 57jährige Jurist und Ex-RAF-Verteidiger Rupert von Plottnitz tatsächlich nie. Viel lieber Tennisspieler in einer Profiliga für alte Herren – bei einem Polizeisportverein. Doch nach dem 1994 angekündigten Wechsel von Umweltminister Joschka Fischer nach Bonn drängte ihn die Partei, den vakant werdenden Ministersessel zu besetzen. Rupert von Plottnitz wurde für den Rest der Legislaturperiode Minister für Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten. Nach den Landtagswahlen von 1995 war er dann der erste Bündnisgrüne an der Spitze eines sogenannten klassischen Ressorts: Justizminister und Europaminister. Er war das Flaggschiff der hessischen Grünen. Daß seine grüne Kabinettskollegin vom Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend und Gesundheit, Margarethe Nimsch (57), im harten Alltagsgeschäft in Wiesbaden schlicht untergehen würde, stand schon nach nur wenigen Monaten fest.

Jetzt sitzt der Justizminister in der Klemme. Er hat die Frage nach den Gründen für die Abberufung des Staatsanwalts noch nicht nachvollziehbar beantwortet. Haben sozialdemokratische Kabinettsmitglieder Druck auf ihn ausgeübt? Handelte er aus eigenem Antrieb, um einen Kabinettskollegen zu schützen? War es vorauseilender Gehorsam gegenüber dem großen Koalitionspartner? Oder wollte der grüne Minister einfach nur beweisen, daß auch er in der Lage ist, den großen Maxe zu spielen? Eine Machtdemonstration – vollzogen am falschen Objekt?

Das „Stück aus dem Tollhaus“ (CDU) endete Anfang der Woche vorläufig damit, daß der Minister nach einem Gespräch mit allen Verfahrensbeteiligten einlenken und Greth rehabilitieren mußte. Der politische Oberstaatsanwalt leitet nun wieder das Ermittlungsverfahren gegen den Finanzminister. Und gegen von Plottnitz liegt eine Strafanzeige wegen versuchter „Strafvereitelung im Amt“ vor. Im Landtag knirschen die Mitglieder der grünen Fraktion hörbar mit den Zähnen. Doch offiziell firmiert die „Affäre Plottnitz“ (CDU) noch immer unter dem internen Decknamen: großangelegte Kampagne der CDU zur Diskreditierung unseres Ministers. Aber war es nicht der grüne Minister selbst, der Union und FDP diesen Aufschlag servierte, dessen knallharter Return jetzt beklagt wird?

„Kein Kommentar“, so Claudia Weisbart, Sprecherin des Justizministers. Als die Affäre Plottnitz noch eine reine Affäre Starzacher war, hatte Weisbart für ihren Chef erklärt, daß man sich in „diese Geschichte“ nicht einmischen werde. Am Tag danach wurde Greth abberufen. Was geschah in den 24 Stunden?

Das weiß auch in der Grünen- Fraktion kein Mensch – und es will auch keiner wissen. Aussitzen heißt die Parole. Das wird dann nicht gelingen, wenn die Staatanwaltschaft aufgrund der vorliegenden Strafanzeige tatsächlich ein Ermittlungsverfahren gegen von Plottnitz einleitet. Dann muß endlich auch über den Straftatbestand hinter den Ermittlungsverfahren geredet werden: die Steuerhinterziehung durch die Kunden der beiden Sparkassen, die von den Steuerfahndern des Finanzministers vor der Durchsuchung ihrer Räumlichkeiten gewarnt wurden. Die Steuerhinterzieher sollten so die Chance bekommen, sich noch vor der Sicherstellung ihrer Kontenblätter selbst anzeigen zu können. Eine Selbstanzeige verschont Steuersünder in der Regel vor strafrechtlicher Verfolgung.

Über die Dimension der Affäre will allerdings auch die CDU nicht sprechen. Die vermögenden Steuerhinterzieher gehören zu ihrer Klientel. Und auch die SPD schweigt, denn in den Vorständen und Aufsichtsgremien der Sparkassen sitzen auch Sozialdemokraten. Private Banken wurden übrigens nicht vorgewarnt. Rupert von Plottnitz – der nützliche Idiot von Christ- und Sozialdemokraten? Fest steht jedenfalls, daß in Wiesbaden kein Mensch mehr über Starzacher und die Steuerhinterziehungen bei den Sparkassen redete, nachdem von Plottitz dem ermittelnden Staatsanwalt das Verfahren entzogen hatte.

„Grün ist der Wechsel“, heißt es bei den Grünen mit Blick auf die Bundestagswahlen. In Hessen dürfte dieser Wechsel geplatzt sein, nach sechseinhalb Jahren der Regierungsbeteiligung am Stück. Eine blasse Ministerin, ein angeschlagener Minister, der sich letztendlich selbst demontierte, sowie eine Fraktion, die nach außen wenig bewirkt, aber nach innen streitet.

Rupert von Plottnitz hat das allerdings schon vor zweieinhalb Jahren gewußt. Damals bekannte er: „Ich bin zuständig für die Schattenseiten.“