Krieger für die Sicherheit

■ Die DASA freut sich über die Fertigstellung des ersten europäischen ISS-Bausteins

Premiere! Europa hat seinen allerersten Beitrag für die Internationale Raumstation (ISS) zusammengebastelt und bereits teilweise an die russischen – „Partner“(RSC Energia) geliefert. Und das auch noch im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen. Na Sterownje! Es handelt sich um ein paar wunderschöne Computerplatinen mit weihnachtlichem Silberdrahtgeschlänge und filigranen Miniaturhäuserreihen aus Mikroprozessoren,in messingfarbenen Kästchen verwahrt und ergänzt durch einige Laptops. Dieser „Computer-Verbund“heißt DMS-R (Daten-Management-System-Russia) und fungiert als „Gehirn“des „Russischen Service Moduls“.

Allemal ein Anlaß zu schmeichelhaften Worten aus den Mündern der ESA- und DASA-Projektleiter nach harten Forschungsabenteuern: DMS-R ist ein „Meilenstein“, der „durch klare Auslegung restlos überzeugt“und „neue Technologiewege beschreitet“. Deshalb wurde „das ganze Team“, also die DASA und ihre „Partner“aus Belgien, den Niederlanden und Frankreich, ausgezeichnet mit dem einzigartigen „Space Station Award“!

Die Euphorie verliert allerdings ihre Ansteckungskraft, wenn Dieter Isakeit von der ESA mit zärtlicher Hand über die Enterprise-würdige Abbildung der ISS streichelt, und sich seine Zeigefingerkuppe an einer unscheinbaren beigen Röhre festbohrt: Columbus (COF), der allereinzigste, große europäische Baustein der ISS, popelige 6,7 m lang. „Unser“Weltraumlabor soll 2,7 Mrd. ECU kosten, das werden wohl 5% des gesamten Budgets von 33 Mrd. US-Dollar für die 110x88 m große ISS sein.

Das DMS-R wird wohl auch mal in Columbus eingesetzt werden, ist aber zunächst das Produkt eines klassischen mittelalterlichen Warenaustauschgeschäfts: Weil man für das europäische Columbus-Nicht-Ei von den Russen eine Andockvorrichtung wollte, bot man als Gegenleistung eben jenes just vollendete DMS-R für das Russenmodul an. Denn ISS funktioniert nach streng national-egoistischen Kriterien: was ein Land für ISS zahlt, bekommt es an Konstruktionsaufträgen wieder zurück. Der amerikanische Anteil an ISS beträgt etwa 50%, der japanische etwa 10%, der deutsche etwa 2%, genauer: 41% jener 2,7 Mrd ECU. Deshalb darf unser feines DMS-R nicht in amerikanische Bausteine. Und das, obwohl es nach dem Grundsatz allseitiger Kompatibilität konstruiert wurde und universal einsetzbar ist, so wie zum Beispeil die Bodengruppe von VW für viele Audi- und VW-Modellen paßt.

41% von 2,7 Mrd ECU ist ein Betrag über den Herr Isakeit ins Philosophieren kommt und aufschlußreiche Vergleiche anstellt zwischen dem Budget für Columbus, dem Jahresgehalt eines Michael Schuhmacher und den Entwicklungskosten eines Opel Corsa. Was ist wann und wofür viel Geld?

Die Deutschen knausern, obwohl ISS handfesten ökonomischen Nutzen verspricht vor allem auf dem Sektor Satelliten: Neuentwicklungen könnten 420 km über dem Erdboden besser durchgetestet, also risokofreier realisiert werden. Heutige Satelliten funktionieren solange sie funktionieren, und werden dann, nach etwa 15 Jahren, ausgemustert. Mit ISS könnte man sie reparieren und warten. Die Zusammenarbeit mit der russischen Seite bezeichneten höfliche Menschen als „schwierig, weil die nach anderen Gesichtspunkten arbeiten“. Lernen könne man aber von deren „Pragmatismus voller unkonventioneller Ideen“,

Wilde Krieger, drei Hägars und ein Sigurd-Superman-Klon veranschaulichten bei der DMS-R-Präsentation ein Grundprinzip des 57,2 Mill. ECU teuren digitalen Denkers: seine Fehlertoleranz. Byzantinische Kriegsstrategen suchten einst nach Möglichkeiten vom Feind bestochene Boten unschädlich zu machen. Die simple Lösung: Sie vertrauten einer Meldung erst, nachdem sie aus drei unterschiedlichen Quellen sprudelte. Aus diesem „byzantinischen Algorithmus“leiteten die etwa 200 am DMS–R beteiligten Konstrukteure ein Sicherungssystem ab, das durch enge wechselseitige Überprüfungen ein faules Glied identifiziert und abhackt.

Ab Juni 1998 werden erste Bauteile ins All verfrachtet, 2002 ist die ISS fertig, ein Jahr später wird sie bevölkert mit sechs echten Menschen. bk