Mutierte Grippeviren

■ Erkältungen kann mit einer gesunden Lebensweise vorgebeugt werden. Gegen eine richtige Grippewelle hilft aber nur eine rechtzeitige Impfung

Jede dritte Krankmeldung hierzulande ist einer Erkältungskrankheit geschuldet. Wie könnte der Standort blühen und gedeihen, wenn sich die Leute nicht so oft kalte Füße holen würden! Auch übermäßiger Genußmittelkonsum wird für ein schwaches Immunsystem verantwortlich gemacht.

Selbst beim Wohnen gibt es eine Menge Fehlerquellen, die immer wieder unnötige Erkältungen verursachen können. Da schlafen manche bei offenem Fenster und heizen sogar dabei – und sind dann erkältet. Auch wer die Heizkörper nicht abstaubt, kann schneller flachliegen. Mit den Wärmestrahlen breiten sich auch die Krankheitskeime in den Räumen aus.

Noch besser ist es, gezielt die Abwehrkräfte des Körpers zu stärken. Wassertreten nach Kneipp, Saunabesuche, aber auch das fernöstliche Ayurveda sollen hilfreich sein. Ganze Bücher lassen sich mit Heilmitteln füllen, die aus Urgroßmutters oder Gottes Apotheke entnommen sind (siehe die Buchempfehlung im Kasten). Und auch Arzneimittelhersteller versuchen, auf der Traditionswelle mitzureiten. Da gibt es etwa den Roten Sonnenhut, echinacea purpurea in der Sprache der Botanik. Die Indianer hätten das natürliche Heilmittel angewandt, weiß die Kölner Firma Madaus zu berichten. „Vermutlich wäre der Sonnenhut mit der Zeit in Vergessenheit geraten, wäre im Deutschland der 20er Jahre nicht ein Arzt gewesen, der sich das ehrgeizige Ziel gesetzt hatte, ein umfassendes Lehrbuch der biologischen Heilmittel zu schreiben.“ Der hieß Madaus und gründete das gleichnamige Unternehmen, das heute Echinacin anbietet. „Ende letzten Jahres hat mir mein Arzt Echinacin-Tropfen gegeben. Seitdem bin ich verschont geblieben“, wird der große Jan Ullrich in der Broschüre zitiert.

Alles kann aber die beste Vorbeugung nicht verhindern, vor allem, wenn Grippeviren im Spiel sind. Im Gegensatz zu grippalen Infekten, die rund eine Woche dauern und eher harmlos sind, kann eine echte Grippe mehrere Wochen andauern. Wenn dann noch eine Lungenentzündung dazukommt, wird es mitunter lebensgefährlich. Viele Variationen gibt es. Mal hat man nur leichtes Fieber, mal tun die Augen besonders weh, ein andermal ist der Magen- Darm-Trakt betroffen.

Die verschiedenen Viren, die es für die Grippen gibt, werden in Gruppen zusammengefaßt, die mit A, B und C numeriert sind. Manche Grippen kehren in Zyklen von wenigen Jahren wieder und befallen als Epidemien einzelne Gebiete. Die letzte in Deutschland, im vorletzten Winter, kostete 7.000 Menschenleben. Alle 12 bis 24 Jahre breiten sich stärkere Wellen hingegen pandemisch, also über die ganze Welt, aus. 1889/90 starben die Leute am „Russischen Schnupfen“, 1957 grassierte die „Asiatische Grippe“, 1969 die „Hongkong-Grippe“. Am schlimmsten wütete die „Spanische Seuche“, im Winter 1918/19. 20 Millionen Menschen starben binnen ein paar Monaten, rund eine Milliarde lagen weltweit flach. „So was wie die Spanische Grippe kann wiederkommen. Wir müssen erwarten, daß ein völlig neuer Erreger nach Europa kommt. Der ist direkt überfällig“, sagt Edgar Muschketat vom Berliner Robert- Koch-Institut, Bundesinstitut für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten.

Obacht vor der Grippe aus dem weiten Osten

Die großen Grippewellen kommen meist aus den Weiten des Ostens nach Europa. In armen, landwirtschaftlich geprägten Regionen gedeiht ein neuer Virus und wird vom Vieh auf Menschen übertragen. In den Städten schreitet dann wegen größerer Bevölkerungsdichte die Ausbreitung schneller voran. Neuartige Grippefälle gab es auch in letzter Zeit in Hongkong. Um wirklich für Europa gefährliche Ausmaße zu erreichen, müßte es aber eine gewisse Zahl von Kranken geben. „Es reicht nicht einer, der von China nach Deutschland fliegt, für eine Epidemie“, beruhigt Muschketat.

Sobald ein neuer Virus auf dem Weg in den Westen ist, wird er hier dem jeweils aktuellen Impf-Cocktail hinzugefügt. Zur Impfung zu gehen, sollte man aber schon jetzt überlegen. Da die schon kursierenden Viren immerfort mutieren, bleibt der Mensch auch gegen die einheimischen Grippen nur einige Monate immun. Jedes Jahr sollte man den Impfschutz erneuern lassen. Wichtig ist der Schutz vor allem für besonders Alte oder Junge, ebenso für DiabetikerInnen, HIV- Infizierte und diejenigen, die es mit dem Herzen oder den Atemwegen haben. Wer viel mit anderen Menschen zu tun hat, sollte ebenfalls vorsorgen, nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch denjenigen zuliebe, die man anstecken könnte, ehe man sich krank ins Privatleben zurückzieht. Bis die Impfung wirksam ist, verstreichen noch bis zu 14 Tage. Die typische Grippezeit ist im Dezember. Wer sichergehen möchte, sollte sich also beeilen. Matthias Fink