Richter schützen Fiskus vor Auszehrung

■ Finanzgericht Baden-Württemberg hat Urteile über Firmen in Steueroasen gefällt

Köln (taz) – Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat zum Thema Steuerschlupflöcher zwei brisante Urteile gefällt. Fieberhaft werden die umfangreichen Begründungen der bereits im Juli gefällten Richtersprüche gegenwärtig in Ministerien, Finanzämtern und Vorstandsetagen ausgewertet. Es geht um die Klage von zwei Unternehmen, die mit Hilfe von Tochterunternehmen in Dublin den deutschen Fiskus umgehen wollten und daran durch deutsche Finanzbeamte gehindert wurden. Die Richter wiesen die Klage der Unternehmen in wichtigen Punkten zurück.

Die „International Finance Service Center“ (IFSC) wurden 1987 in Dublins ehemaligem Hafengebiet gegründet. Die EU gab Zuschüsse aus dem Regionalfonds. Neue qualifizierte Arbeitsplätze sollten entstehen. Dafür locken niedrige Steuern: Mit Zustimmung der EU brauchen die IFSC nicht die irische Körperschaftssteuer von 40 Prozent zu zahlen, sondern nur 10 Prozent. Diese günstigen Konditionen nutzten auch mehrere hundert deutsche Unternehmen und Banken. Sie richteten in Dublin Tochtergesellschaften ein, über die sie Geld- und Wertpapieranlagen abwickeln. Die Kosten dafür werden in den Steuererklärungen als Betriebsausgaben angesetzt. So bleiben die Gewinne in Deutschland unversteuert.

Doch die deutschen Finanzämter sehen die IFSC als „Gestaltungsmißbrauch“: Deshalb werden in den Steuerbescheiden die oft erheblichen Gewinne in Irland mit deutschen Steuern belegt. Das lassen sich wiederum die Unternehmen nicht gefallen und legen Einspruch ein. Hunderte solcher Verfahren ruhen bei den deutschen Finanzgerichten. Überall hat man auf die Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg gewartet. Das Finanzamt Karlsruhe hatte zwei großen Unternehmen für 1990 und 1991 Körperschaftssteuerbescheide ausgestellt, in denen sie die Gewinne der irischen Töchter nach deutschem Recht besteuerten und die Kosten für die beiden IFSC nicht als Betriebsausgaben anerkannten. Dagegen hatten die beiden Unternehmen – eine Druckerei und eine Lebensversicherung – Einspruch eingelegt. Sie hatten jeweils etwa 45 Millionen DM über die irische IFSC angelegt. Die Gewinne für 1990 beziehungsweise 1991 betrugen 2,4 und 1,7 Millionen Mark.

Das Finanzgericht hat nun dem Finanzamt Karlsruhe in der wichtigsten Frage recht gegeben. Es ist der Auffassung, daß die „Zwischenschaltung“ der IFSC „allein den Zweck hatte, im Inland zu besteuernde Erträge im niedrigsteuerlichen Gebiet Irland anfallen zu lassen“. Die beiden Unternehmen müssen deshalb einige hunderttausend Mark nachzahlen.

Das Gericht urteilte weiter, daß der Arbeitsplatzeffekt in Irland minimal sei. Die Dubliner IFSC der beiden Unternehmen haben keinen eigenen Geschäftsbetrieb: Sie werden zusammen mit zahlreichen anderen durch eine Managementfirma verwaltet. Die Wertpapiere und Festgelder befinden sich außerdem auf Unterdepots deutscher Banken in Deutschland. Und auf die beiden IFSC kommen in Irland allerhöchstens zwei halbe Arbeitsplätze, stellten die Richter fest.

Trotzdem erkannten sie die in Irland gezahlten Steuern, Provisionen an deutsche Banken und Kosten für die Managementfirma als Betriebsausgaben an – immerhin zusammengerechnet mehrere hunderttausend Mark. Wegen dieses Teils ist das Finanzamt Karlsruhe in Revision gegangen. Eines der beiden Unternehmen ging ebenfalls in Revision. In etwa fünf Jahren soll der Bundesfinanzhof ein endgültiges Urteil fällen. Werner Rügemer