Gesundheitsminister Horst Seehofer rudert zurück

■ Für 1998 drohten Patienten höhere Zuzahlungen und Kassenbeiträge. Jetzt sind sie entkoppelt

Berlin (taz) – Gesundheitsminister Horst Seehofer will offenbar einen Teil seiner rigiden Gesundheitsreform aussetzen. Im kommenden Jahr sollen die Krankenkassen ihre Beiträge erhöhen können, sie müssen aber nicht automatisch die Zuzahlung der Patienten für Medikamente und Heilmittel anheben. Dies war mit der Gesundheitsreform, die im vergangenen Juli in Kraft trat, zwingend vorgeschrieben. Seehofer setzt damit den Bestandteil der Gesundheitsreform aus, um den er im Sommer vehement gegen den Widerstand der Opposition und der Krankenkassen gerungen hatte. Die Kopplung sei das „Kernstück“ seiner Reform, hatte er damals gesagt, denn dadurch würden die Kassen zum Sparen gezwungen.

Im Bonner Gesundheitsministerium wurde Seehofers Schritt als „vorläufiger Verzicht“ bezeichnet. Er sei notwendig, damit die Westkassen den notleidenden Ostkassen auch weiterhin finanziell beistünden. In der heutigen Situation sei es schlecht „für die Akzeptanz der Solidaritätsaktion“, wenn wegen der Hilfe für die Ostkassen im Westen nicht nur die Beiträge erhöht werden müßten, sondern zugleich auch noch die Zuzahlungen ansteigen müßten. Nach derzeitigem Recht müssen die Kassen bei einer Erhöhung ihrer monatlichen Beitragssätze um je 0,1 Prozentpunkte im nachfolgenden Jahr die Selbstbeteiligung für die Versicherten bei Rezepten, Kuren, Krankenhausaufenthalten und anderen Leistungen um eine Mark anheben.

Unklar ist noch, ob die Entkopplung von Beitragserhöhungen und Zuzahlung nur für den Westen oder bundesweit gelten soll. Bevor Seehofer sich hierzu äußert, will er mit Vertretern von Krankenkassen sprechen. Die dürften keinen Widerspruch äußern, gehörten sie doch zu den schärfsten Kritikern der Seehoferschen Reformen. Heute will der Gesundheitsminister die Finanzlage der Krankenkassen für das erste Halbjahr bekanntgeben. Der AOK-Bundesverband und auch einige Ersatzkassen gaben bereits an, im Westen sei die Lage stabil geblieben. Für die neuen Länder sei allerdings mit einem Defizit von etwa 2,3 Milliarden Mark zu rechnen. roga

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