Der fremde Dichter im Eigenheim

■ Wie man Übersetzer, Dr. Phil. und Familie auf einen Streich wird: Die Hamburger Ex-Noch-Studenten Paluch-Habeck

Wie holt man sich einen Dichter ins Haus und macht auch noch was Feines draus? Die Zutaten für den literarischen Erfolgszaubertrank, lernten Andrea Paluch und Robert Habeck, lauten: Connections, Courage und eine Prise pragmatisch geschärften Spürsinns.

Im November 1994 machten die damaligen Noch-Studenten – und mittlerweile promovierten Eheleute mit Nachwuchs – im Rahmen eines Uni-Workshops Bekanntschaft mit Roger McGough. Der renommierte Liverpool Poet war für einen einwöchigen „Writer in Residence“-Aufenthalt nach Hamburg geladen, und Andrea Paluch war beauftragt worden, den Literaten mit Hamburg bekannt zu machen. Das übliche Kulturprogramm ergänzte sie um ein „echt studentisches Abendessen“im Paluch-Habeckschen Privathaushalt – ein Entschluß mit weitreichenden Folgen.

Denn der umtriebige Allround-Künstler, den neben seinen sprachwitzigen Gedichten auch die Sangestätigkeit bei der Kappele The Scaffold und die Autorenschaft des Yellow Submarine-Filmscripts bekannt machten, schlug alles aus – bis auf das Dinner. Dabei bewies der Lyriker durchaus lebensweltliche Qualitäten, indem er die gesamten Weinvorräte seiner studentischen Gönner vernichtete. „Hyperstrack“sei McGough „schwer versackt“und mußte ins Hotel eskortiert werden.

Nach der Abreise des literarischen Gastes blickte sich das Gastgeber-Duo „tief in die Augen“und erkannte ein weiteres Potential der frischgeknüpften Bande: „Die Möglichkeit, ins Übersetzergeschäft reinzukommen“. Mit Hilfe eines Bekanntenkollektivs wurde in langwieriger Tüftelarbeit eine Reihe ausgewählter McGough-Poeme erstübersetzt. Und nachdem Paluch und Habeck 1996 mit dem Übersetzerpreis der Stadt Hamburg ausgezeichnet wurden, einigte man sich mit dem kleinen, aber feinen Mattes Verlag in Heidelberg.

Roger McGough war „gerührt“und „strahlte über beide Ohren durchs Telefon“, als er von seiner frischgedruckten Übersetztheit ins Deutsche erfuhr. Der Hintergrund für die Euphorie offenbarte sich im Sommer dieses Jahres, als der Poet dem deutschen Übersetzerpärchen zweiwöchiges Asyl in seiner Londoner Heimstatt gewährte: Die Translators in Residence entdeckten, daß McGough die wenigen Übersetzungen seines Werks wie Heiligtümer in einem seperaten Schrein aufzubewahren pflegt.

Diesen Ehrenplatz hat auch der deutsche Neuzugang mit dem Titel Tigerträume – ein McGough-Best-Of der Jahre 1967 bis 1992 – verdient. Vor allem, weil die 89 Gedichte, die zwischen pointiertem Wortwitz, unprätentiöser Poesie und kalaueriger Banalität gratwandern, zweisprachig abgedruckt sind. Übersetzen ist ein hartes Brot. Deshalb sind mit den Tigerträumen zwar die Übersetzerträume wahr geworden, nicht aber das Bankkonto dick. Das Lüneburger Eigenheim, in das die Kleinfamilie Habeck-Paluch im Februar übersetzen wird, geht deshalb noch nicht auf Rechnung literarischer Erlöse. Aber vielleicht kommt ja bald ein neuer Dichter ins Haus.

Christian Schuldt

Roger McGogh: „Tigerträume. Gedichte – Zweisprachig“, Deutsch von Robert Habeck und Andrea Paluch, Mattes Verlag, Heidelberg 1997, 221 Seiten