Gepackt und abgeschoben: Albaner raus aus Italien

■ Italiens Polizei schafft seit gestern Hunderte Bürgerkriegsflüchtlinge nach Albanien zurück – vor allem jene, die mit Hungerstreiks für ein Bleiberecht demonstriert hatten

Rom (taz) – Italien hat gestern mit der Abschiebung Hunderter Albaner begonnen. Dafür umstellte die Polizei die Notunterkünfte der Flüchtlinge mit ihren Einheiten und drang dann blitzschnell in die Lager ein. Bereits nach 15 Minuten konnte so Vollzug gemeldet werden. Obwohl der italienische Ministerpräsident Romano Prodi wiederholt erklären ließ, „niemand wird gewaltsam aus unserem Land vertrieben“, zeigten die italienischen Fernsehstationen gestern Bilder von Polizisten, die Männer an den Armen aus den Lagern zerren und Frauen mit Gewalt in Richtung der wartenden Polizeibusse drängen.

Nach Behördenangaben sind die ersten Räumungsaktionen dagegen „ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen“. Es handle sich, so die offizielle Version weiter, bei den Abgeschobenen auch nicht um jene Flüchtlinge, die im Frühjahr 1997 eine bis Ende November befristete „erweiterte Aufenthaltserlaubnis“ erhalten hatten. Vielmehr seien Personen betroffen, die überhaupt keine einschlägigen Dokumente vorweisen konnten. Mit den anderen will man angeblich pfleglicher umgehen. Nach den politischen Unruhen in Albanien waren 1996 und im Frühjahr 1997 Tausende Albaner über das Meer nach Italien geflohen. Bis heute leben noch rund 5.000 von ihnen in den Notunterkünften der italienischen Adriaküste. Die albanische Regierung in Tirana erklärte gestern, daß sich die politische Situation des Landes grundlegend verändert habe. Sie rief die Flüchtlinge dazu auf, in ihre Heimat zurückzukehren.

Betroffen waren von den Aktionen bis gestern abend vor allem die Notlager in Brindisi, Bari, Cassano delle Murge, Teramo und Foligno. In Teramo hatten sich 71 Albaner in einer ehemaligen Kaserne verbarrikadiert. Ein Teil der Bewohner der Camps wurde vom ehemaligen Militärflughafen Falconara aus nach Tirana geflogen, ein anderer Teil von Brindisi mit Fähren nach Durräs verschifft. Auffällig war, daß vor allem jene Lager geräumt wurden, deren Bewohner sich seit Tagen im Hungerstreik gegen die drohende Abschiebung befinden.

Nur wenige Flüchtlinge können mit einer Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis rechnen. Voraussetzung dafür ist entweder die Gefahr politischer Verfolgung, was bisher erst zwei Albanern zuerkannt wurde, oder der Nachweis eines langfristigen Arbeitsvertrages. Einen solchen konnten nur 83 Personen vorweisen. Die „Rückkehrprämie“ von 300.000 Lire (umgerechnet etwa 310 DM) pro Erwachsenem und 150.000 Lire pro Kind sehen die Abzuschiebenden als glatten Hohn, auch wenn sie etwa vier Monatsgehältern in Albanien entspricht. Sie fürchten überdies, in ihrer Heimat wegen ihrer Flucht verurteilt zu werden und daher auch keinen Arbeitsplatz zu erhalten.

Der weitgehende Ausschluß der Medien von den Abschiebeaktionen hat bei Hilfsorganisationen sowie einigen Abgeordneten der Grünen und der Neokommunisten heftige Kritik ausgelöst. So würden Zweifel am korrekten Vorgehen der Polizisten bestärkt. Aus diesem Grund müssen sich Innenminister Giorgio Napolitano und vermutlich auch Regierungschef Romano Prodi noch diese Woche einer ausführlichen Fragestunde im Parlament stellen. Werner Raith