Zermürbungstaktik

■ Die kritische slowakische Zeitung "Sme" steht ganz oben auf der schwarzen Liste der autoritär-nationalistischen Meciar-Regierung

Die Redaktion der slowakischen Zeitung Sme (Wir sind) liegt in einem kleinen, unansehnlichen Hinterhof von Bratislava. Ihre Mitarbeiter teilen sich ein paar kleine Räume im Erdgeschoß des Gebäudes, es gibt nur ein Faxgerät. Dabei ist Sme mit einer Auflage von 95.000 immerhin die drittgrößte Zeitung der Slowakei und eine angesehene dazu.

Doch im autoritär- nationalistischen Regime von Ministerpräsident Vladimir Meciar steht Sme ganz oben auf der schwarzen Liste, weil sie die kritischste Zeitung des Landes ist. Noch vor kurzem versuchte die slowakische Regierung, Sme-Mitarbeiter körperlich einzuschüchtern. So wurde die Wohnung des Sme-Journalisten Peter Toth verwüstet, sein Auto ging in Flammen auf, und er selbst wurde zusammengeschlagen, weil er dunklen Geschäften der Regierung und des slowakischen Geheimdienstes SIS auf der Spur war.

Nachdem das nichts nutzte und der Slowakei im Ausland überdies nur negative Schlagzeilen bescherte, versucht das Meciar-Regime nun, Sme finanziell zu zermürben. Die Zeitung wird mit kostspieligen Verleumdungsprozessen überzogen, die sie meist verliert – weil sie von regierungsloyalen Richtern verhandelt werden, wie es in der Redaktion heißt.

Staatsfirmen dürfen offenbar in Sme nicht werben, und der staatliche Pressegrosso PNS verlangt von Sme 50 Prozent des Einzelverkaufspreises – die höchste Gebühr im Vergleich zu allen anderen Zeitungen. Zudem kündigte unlängst die staatliche Danubia-Druckerei ihren Vertrag mit Sme. Auch andere staatliche Druckereien winkten ab, so daß man sich eine teure eigene Druckerei einrichten mußte. Deshalb sind die Sme-Redakteure völlig unterbezahlt. Ihr Durchschnittsgehalt beträgt 350 Mark pro Monat gegenüber mindestens 1.000 Mark in anderen Redaktionen. Noch ist die Existenz von Sme nicht gefährdet, aber viele Journalisten gehen, weil sie von diesem Gehalt nicht leben können.

Auch wenn es das Meciar-Regime besonders auf Sme abgesehen hat, ist die Zeitung kein Einzelfall. Der Vorsitzende des größten slowakischen Journalistenverbandes SSN, Peter Zeman – ehemals Direktor des slowakischen Staatsfernsehens, bevor Meciar ihn feuern ließ – glaubt, die Regierung strebe die vollständige Kontrolle der Medien an. Staatsrundfunk und -fernsehen seien fest in der Hand der Regierung und hätten mit „öffentlich-rechtlichen Medien absolut nichts mehr zu tun“.

Unabhängige elektronische Medien, wie das erfolgreichste Privatfernsehen TV Markiza, dessen Nachrichtensendung die höchsten Einschaltquoten erzielt, werden bei ihren Übertragungen ständig für einige Minuten unterbrochen. Dafür ist die staatliche Telekommunikationsgesellschaft verantwortlich – viele glauben, mit Absicht. Eine Untersuchung hat die slowakische Telekom bisher jedenfalls nicht vorgenommen, und Begründungen für die Störungen gibt es auch nicht. Anfang Oktober wurde Radio Twist, der meistgehörte Sender im Land, sogar für 24 Stunden abgeschaltet, weil es die Telekom-Gebühren einen Tag zu spät bezahlt hatte. Das Staatsradio, das der Telekom seit Jahren Geld schuldet, darf ohne Unterbrechung weitersenden.

Bei den Printmedien markiert das neue Mehrwertsteuergesetz die Medienpolitik der Meciar-Regierung. Die Mehrwertsteuer sollte für Printmedien von 6 auf 23 Prozent erhöht werden, falls diese mehr als 10 Prozent ihrer Einnahmen aus Werbung beziehen. Das hätte viele Zeitungen ruiniert. Der massive Protest von Verlegern und Journalisten in den letzten Wochen führte dazu, daß der Gesetzespassus am 21. November vom Parlament vorerst nicht verabschiedet wurde. Das Thema ist jedoch nicht vom Tisch, da das Gesetz im Dezember noch einmal in seiner endgültigen Form abgestimmt wird.

Der Wandel vom politischen zum wirtschaftlichen Druck auf die Medien zeigt sich auch darin, daß die Regierung durch ihr nahestehende Unternehmen in zunehmendem Maße Regionalzeitungen aufkauft, deren Redaktionen dann ausgetauscht werden. Der SSN- Vorsitzende Peter Zeman glaubt nicht, daß sich unter der Meciar- Regierung an dieser Medienpolitik etwas ändern wird. Deshalb hat der Verband jetzt das Angebot abgelehnt, einen SSN-Vertreter in den Rundfunk- und Fernsehrat zu entsenden, der ausschließlich mit Regierungsvertretern besetzt ist. Damit, so Peter Zeman, würden die unabhängigen Journalisten der Regierung nur ein demokratisches Alibi verschaffen. Keno Verseck