Der Auftritt der Diva

Winnie Mandela tritt vor Südafrikas Wahrheitskommission – und bestreitet alles  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Nicodemus Sono kämpft mit den Tränen. Das passiert dem großen, schwergewichtigen Mann eigentlich nie. Doch was sich gestern morgen in dem heißen, stickigen Saal in Johannesburg abspielte, wo Südafrikas Wahrheitskommission tagt, war zuviel für ihn. „Sie nennt mich einen Lügner. Doch ich habe die Wahrheit gesagt.“

Nicodemus Sono hat seinen Sohn Lolo zuletzt im November 1988 gesehen. Er saß schwer verletzt neben Winnie Mandela in deren VW-Bus. Weil er angeblich ein Polizeispitzel war, soll er von ihrer Leibgarde ermordet und dann in einen Bergwerksschacht geworfen worden sein. Seine Leiche wurde nie gefunden.

„Sono lügt“, sagt Winnie Mandela dazu kühl. Es ist die Stunde ihres großen Auftritts: Nach zehn Tagen zäher Verhöre von mehr als 40 Zeugen darf Winnie Madikizela-Mandela endlich Stellung nehmen zu all den Vorwürfen, die seit Montag vergangener Woche gegen sie aufgetürmt wurden. Zehn Tage lang hat Winnie Mandela, meist unbeteiligt, manchmal siegesgewiß lachend, den Aussagen von einstigen Mitgliedern ihrer Leibgarde zugehört.

Doch auch gestern ließ Winnie Mandela ihre Gelegenheit aus, sich für die Vorfälle der späten 80er Jahre in Soweto bei Johannesburg wenigstens zu entschuldigen. Ihr Auftritt vor dem Gremium, das von Amts wegen nach der Wahrheit sucht, war der Auftritt des ahnungslosen Opfers.

Nichts hat Winnie also davon gewußt, daß Mitglieder des sogenannten „Mandela United Football Clubs“ schwere Verbrechen begangen haben. Und nicht daran beteiligt war sie sowieso. Wenn irgend jemand sich irgendwann die Mühe machen sollte, das Protokoll der gestrigen Anhörung nach den am häufigsten gefallenen Worten abzusuchen, werden es diese sein: „lächerlich“, „lachhaft“, „Hirngespinste von Verrückten“, „mondsüchtig“. Verwendet in jedem dritten Satz von Winnie Mandela.

Winnie soll den Mord an ihrem Leibarzt Abu-Baker Asvat angeordnet haben, weil der zuviel über die Machenschaften des Clubs wußte? „Lachhaft“. Winnie soll gewußt haben, daß Ende 1988 vier Jugendliche aus dem Haus des Methodistenpfarrers Paul Verryn in ihr Haus entführt wurden, weil er sie angeblich vergewaltigt hatte? „Hirngespinste“. Winnie soll den 14jährigen Stompie Seipei eigenhändig erstochen haben, wie der Augenzeuge Katiza Cebekhulu behauptet? „Ich war von Anfang an besorgt über seinen mentalen Zustand“, sagt seine einstige Gönnerin.

Immerhin war Winnie über Katiza Cebekhulu so besorgt, daß sie mit ihm zu ihrem Leibarzt Asvat ging und ihn untersuchen ließ, ob er Spuren sexueller Gewalt aufwies. Denn Cebekhulu hatte behauptet, ein Opfer von Verryn zu sein. Asvat indessen konnte nichts feststellen. Nur vier Wochen später war der Arzt tot – ermordet von zwei jungen Männern. Die haben Winnie Mandela vorgeworfen, sie gegen eine Geldsumme zu dem Mord angeheuert zu haben und ihnen die Mordwaffe zur Verfügung gestellt zu haben. Nun sagt Winnie: „Ich habe sie hier zum ersten Mal gesehen.“

Kaum mehr als Verachtung hat sie für die Leute übrig, mit denen sie sich damals, in den 80er Jahren, immerhin freiwillig umgab. Bis heute nennen ihre Anhänger die Frau „Mama“, die sie selber als Irre, Verrückte und Minderbemittelte abqualifiziert und damals immerhin in ihren Häusern wohnen ließ. „Ich habe damals nicht gewußt, was für einen Charakter sie hatten“, schnappt Winnie nun. „Hätte ich es gewußt, hätte ich mich anders verhalten.“ Sie hält an der Mär von der Wohltäterin fest, die heimatlosen Jugendlichen Unterkunft gewährte und sogar Schulgeld für sie bezahlte. Was diese Jugendlichen in den Hinterhöfen taten – das wußte sie nicht.

Der Vorschlag, den Fußball- Club zu gründen, sei von den Kids selbst gekommen; Winnie Mandela habe nur Trikots und Schuhe zur Verfügung gestellt, und die trugen die Klubmitglieder weiter, als der Klub schon längst aufgelöst war. Nach Winnies Angaben geschah das schon Ende 1987, nachdem ihr inhaftierter Mann Nelson Mandela sie dazu angewiesen hatte. Wieso aber war dann das „Mandela-Krisen-Komitee“ aus hochrangigen Widerständlern Anfang 1989 so besorgt über das Treiben des Klubs, daß es sogar die ANC-Führung im sambischen Exil benachrichtigte? „Übertreibungen“, sagt Winnie dazu. Und schlimmer noch: Wissentlich enthalte ihr der heutige ANC-Polizeiminister Sidney Mufamadi, damals Mitglied des Komitees, wichtige Informationen vor. Die Diva ist zutiefst beleidigt.

Da spricht eine, die sich als Opfer einer Schmierenkampagne sieht, sich aber nicht einmal der Unterstützung aus den eigenen Reihen ganz sicher sein kann. Es ist die Winnie Mandela, wie sie ihre zahlreich anwesenden Fans lieben: überlegen, streitbar bis zur Aggressivität, schlagfertige Fürsprecherin der Entrechteten und Beleidigten. Ihre Unterstützung geht weit genug, die Mutter des ermordeten Stompie Seipei im Saal massiv physisch zu bedrängen. Dafür handelt sie sich eine Rüge vom Vorsitzenden Desmond Tutu ein.

Doch am Ende hat man die Wahrheit nicht gefunden. Statt dessen wird Versöhnung inszeniert. Am Nachmittag ruft Tutu die Mutter von Stompie nach vorn. Strahlend wirft Winnie Mandela, wie immer teuer und elegant gekleidet, ihre Arme um die Analphabetin vom flachen Land. Die arme Joyce Seipei weiß kaum, wie ihr geschieht.