Blauer Dunst: Ja bitte!
: Kulthandlung

■ Schluß mit der Verunglimpfung eines wertvollen Naturprodukts!

Humphrey Bogart in Casablanca. Er führt die Lucky Strike zum Mund, läßt den Rauch tief in sich einströmen – ungefiltert natürlich –, und in dem Hochgefühl, einen kleinen Sieg über sich selbst davongetragen zu haben, läßt er den Rauch durch die Nase ausströmen, so daß er sich über seinem Kopf als fahler Glorienschein sammelt. Unvergeßlich gut. Und unvorstellbar, Bogart diese Zeremonie zu verbieten.

Das wirkliche Leben spart hingegen nicht an Zumutungen. An U-Bahnhöfen und Arbeitsplätzen oder eben überall da, wo hüstelnde Passivraucher mit schwerverhangenen Knäckebrotgesichtern eine Lebensfreude ausdünsten, gegen die die Aura der Zeugen Jehovas geradezu hedonistisch anmutet, wird erbittert gekämpft.

Rauchen hat nichts mit Vernunft zu tun. Rauchen muß so etwas wie eine rituelle Handlung sein, die im Moment ihrer Bedrohung oder Verspottung schnell in einen Ausdruck blanken Trotzes umschlagen kann: „Wer raucht, kriegt Lungenkrebs!“– „Wer nicht raucht, kriegt Arschkrebs, Pest, Zecken....“(neulich U-Bahnhof-Schlump). Mit Rauchern läßt sich so wenig übers Nichtrauchen wie mit Tigern über Salatschüsseln diskutieren. Geben wir unseren stinkenden, dampfenden Mitmenschen einfach die sonnigsten Einzelarbeitsplätze, reichen ihnen lächelnd Kekse und Hände, hören endlich auf mit der hysterischen Verunglimpfung eines wertvollen Naturprodukts und versuchen vielmehr, seine Genießer zu verstehen.

Warum rauchen Menschen, wenn sie doch genau wissen, daß ihre Lunge nach jahrelanger Ruß- und Teerzufuhr so unappetitlich aussieht wie ein Hüttenwerksschlot in Castrop Rauxel? Kein aufrichtiger Konsument der weißbraunen Tabakstäbchen kann ernsthaft behaupten, daß er jeden einzelnen seiner Freunde mit gebührender Kontemplation inhaliert oder gar, daß er den Geschmack von Pappe und Fäulnis auf der pelzigen Zunge schmerzlich vermissen würde. Die feierlichen, tabakwürdigen Momente, in denen wir unserem Computer den Druckbefehl erteilen, die Spitze eines Fünftausenders erklimmen oder einem Wildpferd endlich die Schlinge um den Hals geworfen haben, stehen wohl in keinem Verhältnis zu dem traurigen Haufen in unseren Aschenbechern.

Nutzlosigkeit und Selbstzweck ist nur das augenscheinlichste Attribut der Glimmstengel. So ein unschuldig aussehendes Papierröllchen verkörpert auch einen kleinen Kosmos der Widersprüche. Und das nicht nur, weil sich die Forschung über seine stimulierende oder eben betäubende Wirkung nicht so ganz einig wird, oder weil die Raucherinquisition der amerikanischen Regierung bei gleichzeitiger großzügiger Subventionierung des Tabakanbaus so bigott daherkommt. In den Todeszellen von Texas und Kalifornien ist das Rauchen auch der letzten Zigarette verboten. Schließlich sollen sich die schweren Jungs und Mädchen nicht noch im Finale der Körperverletzung am pflichtausübenden Personal schuldig machen.

Das Rauchen ist eine der letzten Kulthandlungen des Irrationalen in unseren trüben Tagen. Das Saugen am braunen Ende kann der schon spastische Akt eines Hektikers sein oder eine lustvolle Verinnerlichung schwadengewordener Zeit. Ihr Halter macht die Zigarette zu dem, was sie ist. Zum würdelosen Instrument einer Übersprungshandlung oder zum Gedankenstrich, Hungerstiller, Mückenvertreiber, Trostspenderin, Friedenspfeife ... Birgit Glombitza