Blitzsaubere Westen

■ Heutzutage bekommen Macker Tomaten geschenkt statt an den Kopf geschmissen

Auch auf die Studentinnen ist kein Verlaß. Statt mit historischem Bewußtsein und frischen Tomaten auf ihre männlichen Kommilitonen zu zielen, drückten Aktivistinnen der Freien Universität gestern ihren ignoranten Kommilitonen das Frischgemüse lieber friedvoll in die Hand. Dazu gab's ein Flugblatt mit dem Hinweis auf „dringenden Handlungsbedarf“: Sexistische und rassistische Diskriminierung an den Hochschulen soll stärker thematisiert werden.

„Frauen, die auf den letzten Vollversammlungen darüber offen sprechen wollten, wurden angefeindet und ausgebuht“, begründet Politologiestudentin Anne die Aktion von zehn Studentinnen vom Frauenplenum des Otto-Suhr-Instituts bei der gestrigen Vollversammlung der FU. „Frauen sind auf fast allen Ebenen der Uni unterrepräsentiert. In den Gremien haben die Profs das Sagen – das sind vor allem Männer“, bekräftigt ihre Mitstreiterin Uta Schuchmann. „Wir vermissen die Verankerung feministischer Lehre.“

Mit dem Verteilen von insgesamt 18 Kisten Frischgemüse wollten die Studentinnen an einen Tomatenwurf aus dem Jahr 1968 anknüpfen. Damals bewarf Sigrid Damm-Rüger die Autoritäten des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, weil sie auf geschlechterspezifische Unterdrückung aufmerksam machen wollte. Wer Damm-Rüger denn genau war? Frauen-Aktivistin Iris weiß es nicht. Aber die Gemüseverteilerinnen halten große Stücke auf ihr historisches Vorbild, Damm-Rügers Wurf sei „legendär“, die gestrige Aktion „symbolisch“. Die Konflikte zwischen den Geschlechtern werden bei den jetzigen Protesten immer noch ausgeblendet, meinen sie. Vielen Kommilitonen gehe es nur um Studienbedingungen, nicht ums gesellschaftliche Ganze. Josefine Janert