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■ Nebensachen aus RamallahDrive-in im Westjordanland

Jetzt hat Amerika auch Einzug in der palästinensischen Stadt Ramallah gehalten – in Form einer Restaurantkette. Checkers heißt das erste Fast- food-Geschäft dieser Art im palästinensischen Autonomiegebiet. Burgers und Donuts sind die Hauptangebote, und amerikanische Fritten. Schweinefleisch gibt es nicht, dafür Apfeltaschen, in denen sich überraschenderweise Granatapfelmus befindet. Die Donuts-Rezepte stammen von der kanadischen Firma Baker's Dozen, die in Ramallah erstmals eine Fusion mit Checkers eingegangen ist.

Der „outlook“ des Ladens ist typisch amerikanisch. Gleißendes Licht, schwarzweißer Fußboden, die Stühle aus dunkelgrauem Stahl. Aus den Lautsprechern tönt mal Rock 'n' Roll, mal populäre arabische Musik, laut und grell. Die palästinensische Belegschaft ist jung, maximal Anfang Zwanzig.

Am überraschendsten ist das Publikum, das Checkers den ganzen Tag über zu einem Bombengeschäft macht. Nicht nur Teenager geben sich hier ein Stelldichein. Liebespaare tuscheln in einer Fensterecke, während drei Tische weiter ein Kindergeburtstag gefeiert wird. Nicht gerade ein typisches arabisches Fest. Ein traditionsbewußter Großbauer in dunkelgrauer Galabiya, auf dem Kopf eine rot-weiß-gepunktete Kuffiya, schreitet würdevoll an der Spitze seiner Familie herein.

„Familien bringen ihre Großeltern her, um ihnen die große, weite Welt zu zeigen“, erklärt Hamzeh, einer der 40 Angestellten. Bisher war das anders. Seit Jahrzehnten zog es die Einwohner von Ramallah in die USA. Sie bilden große Gemeinschaften in Los Angeles oder San Francisco und sogar in der Mormonenstadt Salt Lake City. Es gibt kaum eine Familie, die dort keine Verwandten hat.

Fauzi Aless, einer der Mitbesitzer des Ladens, hat 35 Jahre Erfahrung aus den USA mitgebracht, von Restaurants und Delikatessen-Geschäften. „Ich wollte, daß die Ramallahner die Chance erhalten, diese Produkte auch zu Hause zu probieren“, sagt der knapp 60jährige. Von Checkers erwarb er die Lizenz für den gesamten Nahen Osten. „Ich möchte gerne einen Drive-in in Ramallah aufmachen und dann im Westjordanland expandieren“, sagt er. Sein Manager meint scherzend, daß das Ende der Falafel-Kultur in Palästina gekommen sei.

An der „Friends Boys School“ in Ramallah schmückte ein palästinensischer Lehrer sogar den Klassenraum zum Halloween-Fest am 31. Oktober. Ostern und Thanksgiving werden in palästinensischen Familien gefeiert, und Weihnachtsbäume und Weihnachtslichter zieren in diesen Tagen die Auslagen von Goldschmuckgeschäften in der Innenstadt.

Doch die Amerikanisierung Ramallahs stößt auch auf Kritik. „Konservative Palästinenser werden das nicht mögen“, sagt die junge Aisha. Noch gibt der wirtschaftliche Erfolg Fauzi Aless recht. Doch die Kritik an der „nihilistischen Freiheit des amerikanischen Lebensstils“ formiert sich bereits. Georg Baltissen

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