Ein Stiftungspräsident von Kanzlers Gnaden?

■ Es ist der persönliche Wunsch Helmut Kohls: Christoph Stölzl soll neuer Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz werden. Die Länder, die zu entscheiden haben, protestieren

Berlin (taz) – Christoph Stölzl hat ein Problem. Sein eifrigster Förderer heißt Helmut Kohl. 1987, als der Kanzler den damaligen Direktor des Münchener Stadtmuseums nach Berlin holte, um „in der alten Reichshauptstadt“ (Kohl) ein Deutsches Historisches Museum aufzubauen, wurde dieser Karrieresprung zum Spießrutenlauf. Von der Linken als Handlanger der „konservativer Tendenzwende“ des Kanzlers gebrandmarkt, mußte Stölzl schließlich selbst einräumen, daß das Deutsche Historische Museum „den Geburtsfehler zu großer Politiknähe“ habe. Heute, zehn Jahre später, steht dem 53jährigen Museumsleiter ein weiterer Karrieresprung bevor – und wieder ist es Helmut Kohl, der ihm den Weg ebnet.

Der Kanzler will ihn zum neuen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz küren, wenn der derzeitige Präsident, Wilhelm Knopp, Anfang nächsten Jahres in den Ruhestand geht. Christoph Stölzl würde so zum Chef von siebzehn Museen und der Berliner Staatsbibliothek mit einem Personalstab von insgesamt 2.400 Mitarbeitern. Einen höheren Posten gibt es in der bundesdeutschen Kulturverwaltung nicht zu erklimmen. Aber gegen den Kohl-Schützling regt sich erneut Widerstand. Die Länder, die einen Teil der Riesenstiftung finanzieren, wollen sich den neuen Präsidenten nicht so einfach vom Kanzler vorsetzen lassen. Zwar gilt Stölzl auch bei den Ländern als „genialer Museumsmann“. Genau diese Eigenschaft lasse aber in Hinblick auf die 17 Museumsdirektoren, die ihm als Präsident der Stiftung unterstünden, Konflikte geradezu als „vorprogrammiert“ erscheinen, wird argumentiert.

Ein Großteil der Länder will deshalb auf der nächsten Sitzung des Stiftungsrats am 11. Dezember den Generaldirektor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt/ Main, Klaus-Dieter Lehmann, zum neuen Präsidenten wählen. „Für uns ist Lehmann der geeignetere Kandidat“, sagt die Sprecherin des niedersächsischen Kulturministeriums, Ulli Gröttrup.

Da Helmut Kohl auf seinem Wunsch beharrt, beginnt nun das Rechenspiel: Will Stölzl neuer Präsident der Stiftung werden, braucht er von den 200 Stimmen im Stiftungsrat nicht nur die 120 des Bundes, sondern auch die Mehrheit der 80 Länderstimmen, sprich: mindestens 41. Selbst wenn sämtliche CDU-regierten Länder mit ihren insgesamt 17 Stimmen kanzlertreu wählen und auch Berlin dem Favoriten Kohls seine 23 Ratsstimmen schenkt, würde Stölzl immer noch eine Stimme zur Mehrheit fehlen. Die Rettung für Kohls Kandidaten könnte ausgerechnet aus dem Saarland kommen. Der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine, der Stölzl noch aus Schultagen kennt, hat bereits signalisiert, sein Bundesland werde am 11. Dezember für den Berliner Museumschef votieren.

Zuvor allerdings müssen noch die CDU-Kultusminister der neuen Bundesländer auf Linie gebracht werden. Denn die sehen nicht ein, warum das Votum des Kanzlers sie automatisch zur Wahl von Stölzl zwingen sollte. „Einen solchen Automatismus gibt es nicht“, erklärt Ralf Lettmann, Sprecher des thüringischen Kultusministeriums. Man lasse sich von niemandem von der freien Entscheidung abbringen, heißt es auch in Sachsen. Das Kulturministerium von Mecklenburg-Vorpommern läßt verlauten, man werde „nach eigenem Wissen und Gewissen entscheiden“. Daß weder CDU- noch SPD-Länder geschlossen für einen Kandidaten stimmen werden, sei deshalb „jetzt schon absehbar“, so Lettmann. Bislang ist selbst die Zustimmung Berlins für Stölzl noch nicht endgültig ausgemacht.

Unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht, erwarten den neuen Präsidenten der Stiftung jedenfalls gewaltige Aufgaben. Neben der grundlegenden Reform der Verwaltung und der Neuordnung der Berliner Museumslandschaft steht die Renovierung der Berliner Museumsinsel an, für die über 800 Millionen Mark veranschlagt sind. Außerdem drohen einige Länder damit, nach Auslaufen der bisherigen Verträge im Jahre 2003 aus der Stiftung auszutreten, um ihre Haushalte zu entlasten. „Er muß überzeugend Finanzierungsaufgaben durchsetzen können“, gibt der jetzige Präsident Werner Knopp seinem Nachfolger mit auf dem Weg. Damit wäre Christoph Stölzl mit seinen hervorragenden Verbindungen ins Kanzleramt vielleicht doch der geeignete Kandidat. Noel Rademacher