Roeder redet, Rühe schweigt

■ Rechtsterrorist hielt 1995 an der Führungsakademie der Bundeswehr einen Vortrag. Verteidigungsministerium untersucht mal wieder, Minister Rühe hält sich bedeckt und behauptet: „Alle schweren Fälle liegen Jahre zurück“

Berlin (taz) – Ein rechtsradikaler Terrorist hat unbeanstandet an der Eliteschule der Bundeswehr einen Vortrag gehalten. Manfred Roeder (68) durfte vor gut zwei Jahren an der Hamburger Führungsakademie der Bundeswehr über die „Übersiedlung von Rußlanddeutschen in den Raum Königsberg“ referieren. Eingeladen hatte ihn der damalige Chef des Stabes der Akademie. Von Roeders neonazistischen Aktivitäten soll er nach einem Bericht des Spiegel nichts geahnt haben. Auf Nachfrage der taz teilte ein Sprecher des Ministeriums lediglich mit, der Vorfall werde geprüft. Derzeit „kann man noch keine Aussagen darüber machen“.

Obwohl der Vorfall schon vor der Veröffentlichung am Samstag in der Bundeswehr untersucht wurde, ging Verteidigungsminister Rühe in einem Gastkommentar für die Bild am Sonntag mit keinem Wort darauf ein: „Alle schweren Fälle liegen Jahre zurück“, behauptete er: „Bei den noch formbaren jungen Menschen sind Überzeugung durch Vorgesetzte und politische Bildung entscheidend.“ Diese Vorgesetzten werden an der Führungsschule in Hamburg ausgebildet.

Während sich Verteidigungsminister Volker Rühe hinter einer Mauer des Schweigens versteckt, spricht die Opposition deutlichere Worte. Roeders Vortrag treffe „die Bundeswehr ins Herz“, sagte Walter Kolbow, Wehrexperte der SPD-Bundestagsfraktion. Er will das Thema am kommenden Mittwoch auf der Sitzung des Verteidigungsausschusses zur Sprache bringen. Angela Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, sagte, wer als „politischer Ausbilder keine Kenntnis vom Treiben eines Manfred Roeder hat“, sei „fehl an seinem Platze“. Selbst Bernhard Gertz vom Deutschen Bundeswehrverband kritisierte Verteidigungsminister Rühe. Es werde „langsam peinlich“, weiter von Einzelfällen zu sprechen. Die Hamburger Akademie gilt als Eliteschule der Bundeswehr.

Roeder ist kein Unbekannter. Der ehemalige Rechtsanwalt wurde als neonazistischer Rädelsführer im Jahre 1982 zu 13 Jahren Haft verurteilt. Er war an einem Brandanschlag auf ein Hamburger Ausländerwohnheim beteiligt. Zwei Menschen starben. 1990 wurde Roeder vorzeitig aus der Haft entlassen. Er ist ein militanter Auschwitz-Leugner und eine Schlüsselfigur in der bundesdeutschen Neonaziszene. In Erfurt und in Marburg griff er jüngst die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung über die Wehrmachtsverbrechen an. In Marburg war er von Gegendemonstranten verprügelt worden. Für das Buch „Die Auschwitzlüge“ des Neonazis Thies Christophersen schrieb er 1973 das Vorwort. Der Bundesgerichtshof bescheinigt ihm eine von „NS-Gedankengut durchsetzte politische Überzeugung“. Seit dem Zusammenbruch des Kommunismus ist Roeder vor allem im ehemaligen Ostpreußen umtriebig. Sein Ziel ist die germanische Wiederbesiedlung des Gebietes um Kaliningrad. Für sein Vorhaben bettelt er seit Jahren gemeinsam mit Kumpanen um Spenden. Annette Rogalla Tagesthema Seite 3