Das Portrait
: El Salvadors Präsident - ein Witz

■ Armando Calderon Sol

Sie müßten sich eigentlich auf Anhieb verstehen. Beide sind sie groß, beide sind sie dick, und beiden sagt man eine gewisse geistige Schwerfälligkeit nach. Armando Calderon Sol, Präsident des mittelamerikanischen Kleinstaats El Salvador, kommt vom 9. bis 12. Dezember zum Staatsbesuch nach Deutschland und trifft auf Bundeskanzler Helmut Kohl. Sie werden sich nicht verstehen. Calderon Sol spricht kein Wort Deutsch, und Kohl kann kein Spanisch. Schade. Die beiden könnten sich so viel erzählen.

Wenn sie doch ein paar Gläser Wein zusammen trinken könnten, oder, was Calderon Sol bevorzugen würde, ein paar Whisky oder Wodka. Irgendwann würde der 49jährige Salvadorianer Witze zum besten zu geben. Witze, die von ihm selbst handeln. Und Kohl würde sich an die Zeit erinnern, als er frischgebackener Bundeskanzler war, und alle nannten ihn „Birne“.

Nur ein Beispiel, ein Metawitz gewissermaßen: Calderon Sol mischt sich unters Volk. Er geht auf einen Platz im Zentrum von San Salvador und läßt sich die Schuhe putzen. Der Schuhputzer blickt nicht auf. „Señor, kennen Sie schon den neuesten Witz über den Präsidenten?“ fragt er. Calderon Sol empört: „Ich bin der Präsident!“ Der Schuhputzer: „OK, ich erzähle den Witz gaaanz langsam.“

Das salvadorianische Präsidialsystem gibt Calderon Sol viel mehr Macht als Kohl – theoretisch. Tatsächlich ist der Präsident nur Angestellter des Klüngels der wenigen steinreichen Familien, die nach wie vor El Salvador beherrschen. Diese Oligarchie ist grob in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite die „modernen“ Kapitalisten, die ihre Millionen mit Banken und Handelsketten scheffeln und dafür stabile Verhältnisse brauchen. Auf der anderen Seite die alten Land-patriarchen, für die noch immer jeder Christdemokrat unter Kommunismus-Verdacht steht. Als man 1994 einen Präsidentschaftskandidaten für die rechte ARENA-Partei suchte, erschien Calderon Sol, der als Anwalt das Vermögen der Reichen verwaltete, als akzeptabler Kompromiß.

Genauso ist seine Politik. Mal gehorcht er mehr den einen und mal mehr den anderen. Weil er nicht weiß, was er tun und sagen soll, flüchtet er sich in Floskeln. Viel mehr als Witze kann man deshalb über ihn nicht erzählen. Toni Keppeler