In Ecuador duftet der Meerschweinchenbraten

Wenn in Europa die Gänse und Puten wegen des bevorstehenden Weihnachtsfestes nervös werden, dann besteht für Meerschweinchen in Ecuador Alarmstufe Rot. Ein Fest ohne den drolligen Nager am Spieß ist für die Ecuadorianer unvorstellbar, ebenso eine Kundgebung: Erst jüngst trafen sich Tausende von Indianern aus allen Landesteilen in der Hauptstadt Quito, um für eine Verfassung zu demonstrieren, die ihre Interessen berücksichtigt. Natürlich zog dabei durch große Teile der Innenstadt der Duft der gegrillten Meerschweinchen.

Der in der Zucht äußerst eifrige Nager und nachtaktive Pflanzenfresser wächst traditionell in der warmen Küche auf, wo die kurzbeinige und schmackhafteste Art seiner Gattung, das „criollo“, bei etwa 750 Gramm Lebendgewicht seiner Bestimmung zugeht. Die Nachfrage nach schwergewichtigeren Meerschweinchenarten konnten die Anden-Köche in der Vergangenheit nicht befriedigen – als zu geschmacksarm stellten sich die etwas fleischreicheren Spießbraten heraus.

Die Rezeptur dieser Delikatesse macht Appetit: Enthaart und ausgeweidet werden die gedrungenen Körper von außen sorgfältig eingerieben und von innen gefüllt mit einer Gewürzzubereitung aus Knoblauch, Kümmel und viel Salz, die mindestens zwölf Stunden einziehen muß.

Danach dreht sich das „Cuy“ etwa eine Stunde lang am Spieß über der Holzkohle, dabei ständig bestrichen mit Schweineschmalz, damit die Haut schön kroß wird. Das „Cuy“ wird stets mit anfrittierten Salzkartoffeln serviert; gekochter Mais und eine Zwiebelsoße können das Gericht komplettieren.

Ergiebig wird das Tier an Schulter und Schinken: Eine Meerschweinchenkeule bringt es auf 30 Gramm kräftigen und mageren Fleisches. Vielen Gourmets gelten jedoch die knusprige Haut und das Hirn als ein ganz besonderer Leckerbissen. Ohnehin wird der komplette Kopf stets mitgegrillt. Denn letztendlich stellt der Gourmet an den Zahnreihen des Tieres fest, daß der Koch ihm keine Ratte aufgetischt hat. Peter Korneffel (dpa),

Foto: Paul Langrock