Fleischberg im Jogginganzug

■ Eggs, der erste Spielfilm des norwegischen Regisseurs Bent Hamer, ist eine liebevolle Hommage an routinierte Zweisamkeit

1996 durfte man das letzte Mal die Runzeln und Riefen des schrulligen Schauspieler-Duos Jack Lemon und Walter Mathau auf der Leinwand betrachten. Der dritte Frühling war die Story zweier alter Männer im Winter, deren liebevoll gepflegte Feindschaft durch das Auftauchen einer Frau Risse bekommt. Ein gemütliches, liebevolles und vor allem norwegisches Doppelgänger-Duo ächzt und schnauft in Bent Hamers ersten Spielfilm Eggs im Rampenlicht vor der Kamera.

Moe und Far leben in einem kleinen Holzhaus irgendwo in Norwegen, wo sich die Polarfüchse vor langer Zeit „Gute Nacht“gesagt haben. Aufeinander angewiesen wie ein altes Ehepaar, zelebrieren die beiden Rentner ihre tägliche Routine: Gemeinsam löffeln sie ihr Frühstück, steigen zusammen in langen Unterhosen auf die Waage oder schmücken den Weihnachtsbaum mit Fars Hausschuh-Troddeln.

Die Kamerafahrten, mit denen Bent Hamer der skandinavischen Zweier-WG auf Tritt und Schritt folgt, sind unendlich langsam und verliebt in die Details der Routine, die das Lebensgerüst der Männer ausmacht. Ein Film, in dem man Zeit hat, die ganze Leinwand in Ruhe zu erkunden.

Das Unheil kommt über die beiden nicht, wie bei Lemon und Mathau, in Form einer feschen Nachbarin, sondern als Fars unehelicher Sohn Konrad. Im Rollstuhl sitzend und mit einem Setzkasten voller Vogeleier auf dem Schoß steht dieser eines Tages vor der Tür. Konrad, der von Leif Andrée gespielte stumme Fleischberg mit dem grausigen Jogginganzug und der Vollglatze, bringt den Zweitakt des senil-sympathischen Duos komplett durcheinander.

Eggs, der das Norwegische Film-Festival 1995 als bester inländischer Film gewann, ist eine Geschichte über die Zweisamkeit, eine Hommage und eine Routine, die nicht betäubt, sondern zwei Leben zu einem verschmelzen läßt.

Daß Bent Hamer seinen Film über die beiden Männer im Schnee in nur 19 Tagen gedreht hat, ist schier unfaßbar, gelingt ihm doch ein leises, liebevolles Portrait, das sowohl authentisch-privat als auch humorvoll-distanziert ist. So sehen wir Moe zu, wie er frischgewogen durchs Wohnzimmer tanzt, während aus dem alten Röhrenradio eine Jazzkapelle jammert. Wir spionieren hinter Far her, während er den Schnapsvorrat des kleinen Bruders dezimiert.

Moe und Far, gespielt von Sverre Hansen und Kjell Stormoen sind mindestens so verschroben und liebevoll wie Lemon und Mathau im dritten Frühling, nur daß die Norweger doppelt so viele Falten haben. Während die einen ihr Leben um eine alte Feindschaft herum aufgebaut haben, leben die beiden Norweger in einer schrulligen Symbiose, hinter der sich die Freundschaft zweier Männer im Schnee versteckt.

York Pijahn

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