Glasklare musikalische Gedanken

■ 16 Streicher und eine Batterie Monitore: Die Video-Oper weather der New Yorker Elliot Caplan und Michael Gordon rauscht mit dem Berliner Ensemble Resonanz

Video Opera? Belcanto und flimmernde Bildschirme? Das klingt nach wohligem Rausch, buntem Spektakel und großen theatralischen Gesten, modernisiert mit zappeliger Videoästhetik. Opera made in USA, das könnte etwas mit Ironie zu tun haben und den Wunsch signalisieren, eine banale Angelegenheit auf schwindelerregende Erhabenheitsgröße zu befördern.

Michael Gordon und Elliot Caplan, zwei New Yorker Künstler, versuchen dies seit 1991. Ihr erstes Projekt hieß Van Gogh Video Opera und war berauschend und suggestiv, vielleicht auch verwirrend pathetisch; eigentlich mehr Pop Art Warholscher Prägung. Weather heißt das neue Projekt des Gespanns Caplan/Gordon, das am 27. November in Bonn Uraufführung feierte und im Rahmen der Know No Bounds-Reihe nun in Hamburg gezeigt wird.

Ursprünglich hieß das Unternehmen The four seasons (Die vier Jahreszeiten). Vivaldi also? Michael Gordon bekam 1996 den Auftrag des Ensemble Resonanz, ein langes Stück für 16 Streicher und Video Art zu schreiben. Eine Oper ohne Stimmen. Die Video Art wurde natürlich Elliot Caplan anvertraut. Beide heckten ein überaus dramatisches Bühnenkonzept aus. Auf einem dreigeschossigen Gerüst spielen und agieren die 16 Streicher des Ensembles Resonanz, das Kammerorchester der Jungen Deutschen Philharmonie; eingerahmt von einer Batterie Videomonitore, die Wetterbilder zeigen. Sonne, Schnee, Sturm, Regen, auch wogende Kornfelder flitzen über die Bildschirme oder verharren in bedrohlicher Starre. Caplan greift teils auf selbstgedrehtes, teils auf dokumentarisches Archivmaterial zurück.

Wo ist da die Story? Michael Gordon gibt den entscheidenden Hinweis: „Einer der interessantesten Aspekte von weather ist, daß wir nicht nur Erfahrungen mit dem Wetter haben, sondern auch visuelle Ansichten über das Aussehen von Wetter aus Filmen oder dem Fernsehen gespeichert haben.“Diese Art der Theatralik weitet sich bis ins Dämonische oder Apokalyptische aus. Gordons Musik ist ein expressiver, unerbittlicher, glasklarer Strom einfacher musikalischer Gedanken, die sich allerdings in einem Netz rhythmischer Teufeleien verfangen. Im Kontrast zu den Bildern, die an sich nichts oder sehr Triviales bedeuten – eben Wetter –, verhakt sich die Musik zu einem soghaften aufwühlenden Erzählteppich. Eine Art New Yorker Kontrapunkt.

Sven Ahnert

Mittwoch, 17. Dezember, 20 Uhr, Kampnagel, k6