Dröhnende Stahlgewitter, hochglanzpoliert

■ Ehemals ein keineswegs durchschnittlicher Fernsehregisseur, heute Regiestar in Hollywood, hat Wolfgang Petersen seinem Erfolgsfilm „Das Boot“ den obligaten Director's Cut verpaßt

Wolfgang Petersens Film „Das Boot“, der 1981 in die Kinos kam, ist das Produkt einer Wendezeit und markiert einen Wendepunkt. Es ist die Wende vom Autorenfilm, der eine europäische Spezialität war, zum Produzentenfilm, wobei den Amerikanern gezeigt werden sollte, daß man es genausogut kann wie sie. Ein keineswegs durchschnittlicher deutscher Fernsehregisseur wurde eingesetzt: Petersen hatte nicht nur etliche „Tatort“-Folgen gedreht, sondern auch einen Skandalfilm, der einen der berühmtesten Eklats der deutschen Fernsehgeschichte provozierte: Als das Schwulendrama „Die Konsequenz“ (mit Jürgen Prochnow in der Hauptrolle) 1977 von der ARD ausgestrahlt wurde, schaltete sich das Bayerische Fernsehen aus dem gemeinsamen Programm.

Dazu sollte es der Männerfilm „Das Boot“ nicht bringen. Nackte Hintern und gemeinschaftliche Filzlaus-Kontrolle im Schamhaar stehen hier ausschließlich im Dienste der Sauberkeit und wurden deshalb auch in Bayern erlaubt. Prochnow ist kein Knabenverführer, sondern väterlicher militärischer Führer. Ein markiges Lächeln bei der Begrüßung der Mannschaft: „Na, Männer, alles klar?“ – schon leuchten die Augen der jungen Seeleute. „Jawoll, Herr Kaleun!“ Bedenkenlos wird die starke Vaterfigur gefeiert: Der stolze Vater, der seine Jungs für ihre Leistungen belobigt, der fürsorgliche Vater, der seinen Buben den rausgefallenen Sauerstoff- Schnuller wieder in den Mund steckt, der strafende Vater, der die Pistole holt, wenn einer den Koller kriegt. Und weit und breit kein Ödipus.

So war's bei der Wehrmacht, jedenfalls in diesem ach so „realistischen“ Kriegsfilm. Daß deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs in erster Linie als Opfer dargestellt werden, fand Produzent Rohrbach „heikel“ – allzusehr kann es ihn nicht gestört haben. Einmal sieht man immerhin, was das U-Boot mit seinen Torpedos anrichtet, als nach dem „Fangschuß“ auf einen Tanker britische Seeleute brennend von Bord springen. Und wer macht sich schuldig? Die anderen, die unfaßlicherweise ihre Männer nicht von Bord geholt haben, Stunden nachdem das Schiff angeschossen wurde.

Noch schlimmer als die Briten müssen die französischen Résistancekämpfer sein: „Sie wissen doch, was das bedeutet, wenn die vom Widerstand erfahren, daß sie ein Kind von einem Deutschen hat“, sagt Leutnant Werner, als ein Kamerad ihm erzählt, seine französische Freundin sei von ihm schwanger: Nazis treten bloß als Großmäuler und Angeber in Erscheinung, denen der tüchtige, tapfere, schweigsame Tatmensch, der professionelle Macher entgegengestellt wird.

Wen wundert's, denn professionelle Macher wollten auch Rohrbach, Petersen & Co. sein, und jeder verklärt eben sein Ideal. Jetzt gibt es den noch professionelleren Director's Cut, der 210 statt 145 Minuten dauert und eine Acht-Kanal-Digital-Surround-Tonspur hat. Die Schauspieler erzeugen Intensität trotz platter Dialoge, Petersen kann Gesichter zur Wirkung bringen und hat Gespür für Timing; Kamera und Schnitt sind brillant – alles sehr professionell gemacht, eindrucksvoll, perfekt, spannend. Wenn es nur nicht um deutsche Geschichte ginge. Florian Wolfrum