Rumänien in der Bildungskrise

■ Eine der vier Koalitionsparteien streikt, weil das Parlament minderheitenfeindliche Bildungsgesetze verabschiedet hat

Bukarest (taz) – Rumänien erlebt die schwerste Regierungskrise seit der demokratischen Wende im Herbst vergangenen Jahres. Eine der vier Regierungsparteien, der Verband der Ungarn in Rumänien, ist in einen Regierungsstreik getreten, weil das Parlament minderheitenfeindliche Gesetze verabschiedet hat. Am Dienstag abend gab die Führung des Verbandes bekannt, daß ihre beiden Minister und die acht Staatssekretäre nur noch administrative Tätigkeiten erfüllen. Am Wochenende will die Partei entscheiden, ob sie die christlich-sozialdemokratisch- liberale Koalition verläßt.

Grund für den Streit ist das rumänische Bildungsgesetz. Der Senat hatte am Dienstag einem Artikel des Gesetzes zugestimmt, der es Minderheiten verbietet, an Universitäten Lehrstühle in ihren Muttersprachen zu haben – ein Recht, das selbst während der nationalistischen Ceausescu-Diktatur existierte. Nach der Abstimmung verließ die Fraktion des Ungarnverbandes den Saal und rief den Regierungsstreik aus.

Noch vor Monaten hatte es so ausgesehen, als wolle die erste demokratische Regierung Rumäniens seit sechs Jahrzehnten mit der nationalistischen Tradition der Minderheitenunterdrückung brechen. Eine schriftliche Koalitionsvereinbarung sah vor, daß alle Einschränkungen für kleine Bevölkerungsgruppen im Bildungsbereich abgeschafft werden. Dagegen setzte sich jedoch der nationalistische Flügel der christdemokratischen Bauernpartei durch. Sie ist der größte Regierungspartner.

Schon vergangene Woche hatte der Ungarnverband gegenüber den Nationalisten Zugeständnisse gemacht: Minderheiten, darunter die 1,6 Millionen Ungarn in Rumänien, müssen demnach Geographie und Geschichte wieder in rumänischer Sprache lernen, ähnlich wie unter der Ceausescus Diktatur. Weitere Einschränkungen waren nicht geplant.

Doch auch dieser Kompromiß ging der Senatsmehrheit noch zu weit. In einer hysterischen Debatte, die von tumultartigen Szenen und ebenso nationalistischen wie chauvinistischen Reden geprägt war, stimmte ein Teil der Koalitionsmehrheit zusammen mit den Rechtsextremisten und Nationalisten aus der Opposition für die nationalistische Variante des Bildungsgesetzes. Keno Verseck