Peinliche Fragen aus Brüssel über Buna

Die EU-Kommission wittert Unregelmäßigkeiten bei den Zuschüssen zur milliardenteuren Raffinerie und leitet ein Verfahren gegen die Regierung in Bonn ein. Auch beim Strompreis soll getrickst worden sein  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Europäische Kommission hat den dringenden Verdacht, daß die Bundesregierung beim größten Sanierungsprojekt in Ostdeutschland gegen EU-Subventionsregeln verstößt. Es geht um 9,5 Milliarden Mark an öffentlichen Beihilfen, die der US-Konzern Dow Chemical für die Übernahme und Neuordnung des Buna Sow Leuna Olefinverbundes BSL einstreicht. Die EU-Kommission hat gestern ein Verfahren eingeleitet. Nun muß die Bundesregierung bis Mitte Januar zu den Vorwürfen Stellung nehmen und darf in der Zwischenzeit keine Beihilfen auszahlen.

Bei einer Überprüfung hatten EU-Inspekteure festgestellt, daß die Raffinerie in Buna offensichtlich größer werden soll als von Brüssel genehmigt. Dadurch würden zum einen Konkurrenten geschädigt, die ohne Beihilfen auskommen müßten und sich in Brüssel bereits beschwert hätten. Zum anderen vermutet die EU-Kommission, daß durch die Ausweitung der Kapazität auch höhere Investitionskosten anfallen, die von der Bundesregierung prozentual bezuschußt werden. Eine Ausschöpfung der Gesamtsumme durch den Bau einer größeren Anlage ist nach Auffassung der EU-Kommission illegal.

Die Brüsseler Behörde fürchtet zudem, daß die Bundesregierung bei höheren Investitionskosten versteckte Subventionen zahlen könnte. Ein konkreter Verdacht zielt auf einen trickreichen Stromvertrag, den der BSL Olefinverbund mit dem Energieversorger VKR (VEBA) abgeschlossen hat. In einem Geheimvertrag vereinbarten BSL und VKR, daß die Strompreise während der Umstrukturierungsphase bis 2000 wesentlich höher sind als danach. Die EU-Kommission vermutet, daß durch den Deal ein beträchtlicher Teil der nach dem Jahr 2000 anfallenden Energiekosten auf die Zeit davor verlagert werden soll. Denn alle Verluste, die bis 2000 anfallen, werden von der BvS übernommen, der staatlichen Nachfolgegesellschaft der Treuhand. Nach Einschätzung der Wettbewerbskontrolleure handelt es sich damit um eine illegale Stromsubvention von mehreren hundert Millionen Mark. Nach dem EU-Wettbewerbsrecht hat die EU-Kommission darauf zu achten, daß Subventionen nur bis zu einer Höhe gezahlt werden, die den Standortnachteil in wirtschaftlich schwachen Regionen ausgleichen. Sonst würden sich die EU-Regierungen mit Steuergeldern gegenseitig Investoren abspenstig machen und zudem den Wettbewerb verzerren.

Die Milliardenbeihilfen für Dow Chemical, mit denen 2.200 Arbeitsplätze gerettet werden sollen, gelten bereits als Rekordsumme, weil jeder Arbeitsplatz mit fast fünf Millionen Mark bezuschußt wird.