■ taz hörsaal: Tomaten gegen's Patriarchat
Im Hörsaal schreiben Studierende über die Misere an den deutschen Hochschulen.
Was bringt eine studentische Protestbewegung, wenn ihre Inhalte und Machtstrukturen einen beachtlichen Teil der StudentInnen ausgrenzen? Nicht viel! lautete die Antwort des Frauen- Lesben-Plenums (FLP) auf der jüngsten Vollversammlung (VV) der FU-Berlin. Die Frauen hatten vorab Tomaten und Flugblätter an die Teilnehmerinnen der VV verteilt. Mit dieser Protestaktion erinnerten sie an den Tomatenwurf von Sigrid Damm- Rüger auf die SDS-Autoritäten 1968. Damals wie heute sollte der in der StudentInnen-Bewegung unterdrückte Geschlechterkonflikt sichtbar gemacht und eine Neuorientierung studentischer Politik eingeleitet werden. Auf vorangegangenen VVen an der FU schlossen sich zwar StudentInnen überwiegend der Forderung an, geschlechtsspezifische Ungleichheiten im Wissenschaftsbetrieb zu beseitigen und feministische Lehre und Forschung zu verankern. Jedoch wurden andere feministische Redebeiträge zum Teil von einer großen Mehrheit bagatellisiert, belächelt oder sogar massiv niedergebrüllt. Neben der Kritik an „männlichem“ Redeverhalten und der Unterrepräsentanz von Frauen bei Streikaktivitäten ging es vor allem um den Umgang der Bewegung mit Gewaltverhältnissen und die fehlende Gesellschaftskritik. Auch die Protestaktion des FLP griffen einige StudentInnen an. Dennoch war die Sorge der Redeleitung unbegründet, die VV könnte in eine Tomatenschlacht ausarten oder sie könnte gar selbst zur Zielscheibe werden. Die VV verabschiedete die vom FLP eingebrachte Resolution, die sexuelle und rassistische Gewalt verurteilt und deren Beseitigung an der Hochschule und in der Gesellschaft fordert. Zuvor hatte die Rednerin des FLP darauf hingewiesen, daß derartige Übergriffe im Hochschulalltag, zum Beispiel in Sprechstunden und Prüfungssituationen, ebenso wie bei den jüngsten Protestaktionen weit verbreitet wären. Dies sei kein individuelles, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, da die Täter in patriarchalen Strukturen agieren, die ihr Verhalten fördern. Die Rednerin forderte, gesellschafts- und hochschulpolitisch gleichermaßen relevante Herrschaftsverhältnisse nicht länger als nachrangigen Nebenwiderspruch abzuwerten und auszugrenzen, sondern sie an die Spitze der studentischen Agenda zu setzen. Uta Schuchmann
(Freie Universität Berlin)
Die Abschluß-Ausgabe des Hörsaals erscheint morgen. Letzte Worte bitte an: cif@taz.de
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