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Millionen Tonnen zwischen Wunsch und Wirklichkeit

■ Mit den bislang ergriffenen Maßnahmen zur CO2-Reduzierung verfehlt die Bundesregierung ihr Klimaschutzziel. Vor allem die Zunahme des Autoverkehrs macht Fortschritte zunichte

Mit der stolzgeschwellten Brust des Musterschülers ist die Bundesregierung nach Kioto gefahren. Kein Land sonst hat sich das ehrgeizige Ziel gesteckt, seine CO2- Emissionen bis 2005 um ein Viertel des Wertes von 1990 zu reduzieren. Angesichts der in Bonn bisher ergriffenen Maßnahmen dürfte dieses Ziel aber ein frommer Weihnachtswunsch bleiben.

Nach einer letzte Woche vom Bundesumweltministerium (BMU) präsentierten Studie, die unter Leitung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) erstellt wurde, lassen sich bis 2005 mit den bisherigen Maßnahmen nicht mehr als 14 Prozent gegenüber dem Ausstoß von 1990 einsparen. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke von 110 Millionen Tonnen CO2.

Um die 25-Prozent-Marke doch zu erreichen, plant Bonn zusätzliche Schritte. Doch gerade im Verkehrssektor bleibt man deutlich hinter den Empfehlungen der Studie zurück. „Der Verkehr ist der Schlüsselbereich“, bekräftigt Hans-Joachim Ziesing vom DIW. „Was dort an CO2-Emissionen nicht eingespart wird, muß in anderen Bereichen weg. Angesichts der zu erwartenden Verkehrszunahme wäre mit einer Stabilisierung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen schon viel gewonnen.“ Dabei liegen hier große Einsparpotentiale. Mit einem Tempo-100-Limit auf Autobahnen etwa könnten 12,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2005 eingespart werden. Gar 23 Mio. Tonnen Reduktion sind bei einem Anheben des Benzinpreises auf 3 Mark pro Liter drin.

Im BMU erwärmt man sich eher für die Vorschläge der Interministeriellen Arbeitsgruppe CO2- Reduktion. Zum Verkehr ist ihr wenig eingefallen: eine Straßenbenutzungsgebühr für Lkws, die Einführung des 5-Liter-Autos sowie die Förderung von Schulungen für energieeffizientes Fahren. Mehr als 7 Millionen Tonnen CO2-Verminderung bringen diese Ideen nicht. „Solche Effizienzsteigerungen werden durch das Anwachsen des Verkehrs doch gleich wieder aufgezehrt“, so Felix Christian Matthes vom Öko-Institut Berlin, Co-Autor der Studie.

Die Schwerpunkte der vom BMU geplanten Zusatzmaßnahmen liegen an anderer Stelle: bei einer erweiterten Selbstverpflichtung der Industrie zum Klimaschutz; in der Nutzung kommunaler und industrieller Kraft-Wärme- Kopplung – hierbei produziert ein Kraftwerk gleichzeitig Strom und Wärme; und in der Neufassung der Wärmeschutzverordnung. Die Einsparung wird hier auf 46 bis 104 Mio. Tonnen angesetzt.

Doch über die Selbstverpflichtung der Industrie, die BDI-Präsident Henkel vorgestern in Kioto lobte, gehen die Meinungen auseinander. „Die bisherige Abnahme der Industrieemissionen ist auf Effizienzsteigerungen zurückzuführen und nicht auf Klimaschutzanstrengungen“, sagt Kora Kristof vom Wuppertal-Institut. „Die kamen vor allem durch den Zusammenbruch der Grundstoffindustrie in Ostdeutschland nach 1990 zustande. Die in der Selbstverpflichtungserklärung bis 2005 prognostizierten CO2-Reduktionen werden so nicht erreicht.“

Strittig ist auch, ob die Kraft- Wärme-Kopplung (KWK) durch die Liberalisierung des Strommarktes insgesamt gefördert oder geschwächt wird. Für Industriebetriebe, die künftig ihre Abwärme verkaufen können, ist KWK ein lukratives Geschäft. Für manchen kommunalen Energieversorger hingegen könnte wegen eines sinkenden Strompreisniveaus KWK unrentabel werden, wodurch sein Reduktionsbeitrag entfiele.

Angesichts aller Unwägbarkeiten hält Felix Christian Matthes eine Reduktion von mehr als 18 Prozent im Jahr 2005 für unrealistisch. Diese Diskrepanz hat der Glaubwürdigkeit der Bonner Verhandlungsposition nicht nur in Kioto geschadet. Niels Boeing

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