Zwei Todesurteile in Ost-Timor

■ Die gewachsene internationale Anerkennung des Konflikts kann die Spannungen auf der von Indonesien besetzten Inselhälfte nicht mindern

Jakarta/Dili (taz) – Ein Gericht in dem von Indonesien besetzten Ost-Timor hat gestern zwei Männer zum Tode verurteilt. Die beiden Osttimoresen wurden für schuldig befunden, im Mai an einem Überfall auf einen Polizeibus mitgewirkt zu haben. Dabei waren 17 Sicherheitskräfte getötet worden. Es war einer der schwersten Anschläge der Unabhängigkeitsbewegung Fretilin seit Jahren. Das Strafmaß der Todesstrafe, die in Indonesien nur selten verhängt wird, zeigt die Bedeutung, die dem Anschlag beigemessen wird.

Im Vergleich dazu war Fretilin- Führer Xanana Gusmao nur zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die später auf 20 Jahre reduziert wurde. Heute möchte Indonesien Gusmao lieber ins Ausland abschieben, statt daß er aus dem Gefängnis immer wieder an den Widerstand Ost-Timors erinnert. Erst kürzlich sorgte er für Schlagzeilen, als Briefe von ihm aus dem Gefängnis geschmuggelt wurden.

War der Status von Ost-Timor bis vor wenigen Jahren ein Tabu für Indonesiens Medien, liefert die besetzte Inselhälfte heute laufend Stoff. Der Friedensnobelpreis, den der Bischof von Dili, Carlos Ximenes Belo, und der Sprecher des osttimoresischen Widerstandsrates, Jos Ramos-Horta, vor einem Jahr in Oslo erhielten, hat Ost-Timor auch international ins Rampenlicht gerückt. Südafrikas Präsident Nelson Mandela setzt sich inzwischen bei seinem indonesischen Amtskollegen Suharto für die Freilassung Gusmaos ein.

Die Bewegung auf der internationalen Ebene hilft bisher nicht, die Spannungen vor Ort zu mindern. „Die Lage ist nicht schlechter geworden, aber auch nicht besser. Es ist genauso, wie es vorher war“, sagt Bischof Belo in seiner Residenz in Dili ein Jahr nach der Preisverleihung. Der Bischof spielt auf die Schießerei des Militärs auf dem Gelände der Universität in Dili an. Soldaten hatten am 14. November auf eine Gruppe von Studenten geschossen und mehrere schwer verletzt. Manuel Abrantes von der katholischen Kommission Justitia et Pax in Dili berichtet, zuvor hätten zwei Männer in Zivil auf dem Campus eine Schlägerei angefangen. Da sie anschließend im Quartier der Streitkräfte verschwanden, handele es sich wahrscheinlich um eine Provokation.

Dem Einmarsch indonesischer Truppen am 7. Dezember 1975 und den Folgen der Besetzung sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen bisher 200.000 Menschen zum Opfer gefallen. Die UNO hat die Annexion der früheren portugiesischen Kolonie nie anerkannt. „Neunzig Prozent der Bevölkerung betrachten den Bischof, Xanana Gusmao und Jos Ramos-Horta als ihre Repräsentanten“, sagt ein Kirchenvertreter in Dili. „Sie wollen ein Ende der indonesischen Besetzung und in einer Volksabstimmung unter UN-Aufsicht über ihre Zukunft selbst entscheiden“, formuliert er die Meinung der Kirchen Ost-Timors. Eine Vertreterin der Deutschen Botschaft in Jakarta dagegen bezweifelt, daß die Bevölkerung Gusmao, Ramos-Horta und Belo als ihre Führer anerkennt.

Ein Rechtsanwalt, der in mehr als 25 Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Opfer vertreten hat, sagt: „Das Recht auf Selbstbestimmung ist doch auch ein Menschenrecht.“ Florentino Sarmento, Vorsitzender der Entwicklungsorganisation Etadep und osttimoresischer Lokalpolitiker, hält dagegen von einer Volksabstimmung nicht viel. Gewalt könne damit nicht eingedämmt werden. Völkerrechtliche Souveränität kann er sich für seine Heimat nicht vorstellen. „Wie soll das funktionieren? Ein Land von 700.000 Einwohnern ohne Industrie und Arbeitsplätze, dessen Budget zu 97 Prozent von Indonesien bezahlt wird?“ Integration, wenn auch nicht auf die brutale Art, wie es Jakarta bisher versucht hätte, sei der einzig realistische Weg. Mehr als eine föderative Lösung, so Sarmento, könne Jakarta nicht abgetrotzt werden. Er weiß, daß seine Meinung in Ost-Timor nicht populär ist.

Der indonesische Professor Sahetappi von der Universität Surabaya meint: „Die Osttimoresen sprechen eine andere Sprache, haben eine andere Kultur und denken anders. Warum sollten wir sie zwingen, Indonesier zu sein?“ Doch nur wenige prominente Indonesier trauen sich wie Sahetappi, eine Volksabstimmung in Ost-Timor zu fordern. Johannes Brandstäter