Ein Déjà-vu namens Václav Klaus

Der ehemalige tschechische Premierminister ist wieder Vorsitzender der ODS. Ein außerordentlicher Parteikongreß wählte ihn am Wochenende, obwohl Klaus seine Partei in die Opposition führen will  ■ Aus Prag Sabine Herre

Ein Delegierter brachte es unfreiwillig auf den Punkt. „Das haben wir doch schon vor sieben Jahren von Václav Havel, Jiri Dienstbier und den anderen ehemaligen Dissidenten gehört“, kommentierte er die Reden all derjenigen, die von ihrer Partei mehr „Moral“ und „Demut“ forderten.

Tatsächlich bescherte der außerordentliche Kongreß der Bürgerlich-Demokratischen Partei (ODS) im Kurort Podeibrady, bei dem sich gestern Václav Klaus mit 227 zu 72 Stimmen gegen den ehemaligen Dissidenten Jan Ruml bei der Wahl des Parteivorsitzenden durchsetzen konnte, so manchem ein Déjà-vu. Vor sieben Jahren, hatte sich das von Václav Havel gegründete Bürgerforum in zwei Parteien gespalten: die Bürgerbewegung von Außenminister Dienstbier und die ODS des damaligen Finanzministers Klaus.

Und auch an diesem Wochenende ging es um zwei, für viele Delegierte unvereinbare Gesellschaftsentwürfe. Auf der einen Seite standen jene, die die Freiheit des einzelnen und des Marktes als höchste Güter anführen. Auf der anderen harrten die, die von der „Verantwortung des einen für den anderen“ sprechen und von einer stärkeren regionalen Selbstverwaltung.

Und doch ist alles anders als vor sieben Jahren. Damals war Klaus der Angreifer, nun mußte er sich gegen die Vorwürfe seiner Parteigenossen verteidigen. Dabei ging es nicht nur um den Vorwurf, die Finanzierung der ODS unzureichend kontrolliert und so die tschechische Rechte in ihre bisher tiefste Krise gestürzt zu haben. „Oft haben wir erst aus den Medien erfahren, was die Führung beschlossen hat“, meinte etwa der Vorsitzende der Parlamentsfraktion der ODS, Jiri Honajzer. Auch Ex-Innenminister Ruml fand für seine Partei nur bittere Worte. Intolerant, kommunikationsunfähig, allein auf das ideologische Überleben konzentriert sei sie. Ein Mitglied des Parteipräsidiums ließ es sich nicht nehmen, aus dem Innenleben dieses höchsten Gremiums zu berichten. Monatelang habe man dort die ökonomischen Probleme, die im Frühjahr zu einem Kursverlust der Krone von über drei Prozent führten, nicht wahrhaben wollen.

Am Wochenende war Václav Klaus dann auch zum erstenmal bereit, die Verantwortung für die wirtschaftliche Krise zu übernehmen. Erstmals gestand er zu, daß die Reform des Gesundheitswesen mißlungen sei und die Bürger immer weniger Vertrauen in den jungen Rechtsstaat haben.

Doch damit war auch genug der Selbstkritik. Im Manuskript seiner Rede finden sich zwei fett gedruckte Punkte: „Keine Kompromisse mehr“ und „Programm der ODS fürs dritte Jahrtausend“. Sie bringen die Klaussche Analyse der politischen Krise auf einen kurzen und populären Nenner: Da man es vor den Parlamentswahlen 1996 nicht geschafft habe, stärkste Partei zu werden, muß man sich nun den Wünschen der Koalitionspartner beugen und ist vom richtigen rechten Weg abgekommen. Diesen Weg wiederfinden könne die ODS nur in der Opposition. An der neuen Regierung, die Havel vielleicht schon heute vorstellen wird, soll sich die Partei daher nicht beteiligen. Statt dessen müssen Neuwahlen abgehalten werden.

Genau dies wird von den innerparteilichen Klaus-Gegnern abgelehnt. Sie forderten eine neue ODS-Führung, die in den Skandal um die Parteifinanzierung nicht verstrickt ist. Und die Partei soll sich an der neuen Regierung beteiligen. Denn falls im Juni Neuwahlen stattfinden, werden allen Meinungsumfragen zufolge die Sozialdemokraten gewinnen.

Mit dieser für die ODS düsteren Prognose verbindet sich paradoxerweise die Hoffnung vieler Klaus-Gegner. Schon vor dem Parteitag war klar, daß über 80 Prozent der Delegierten den alten Vorsitzenden auch zum neuen machen würden. Allein die Aussicht, sich nach inzwischen sechsjähriger Regierungsbeteiligung nun auf einmal in der Opposition wiederzufinden, hätte sie umstimmen können.

Daß sich die Abgordneten nach mehr als zehnstündiger Diskussion dennoch wieder für Klaus entschieden, lag vor allem an einer regierungskritischen Rede, mit der Václav Havel am vergangenen Dienstag viele „Klausianer“ vor den Kopf stieß. „Havel hat kein gutes Haar an der Arbeit der Regierung gelassen. Das ist ungerecht“, monierten auch viele Bürgerinnen und Bürger bei spontan durchgeführten Telefonumfragen.

Mit nie dagewesener Häme wandten sich seine Anhänger auf dem Parteitag gegen den Präsidenten, zogen die Klaus-Gegner ihre Unterstützung für Havels Wiederwahl im Januar zurück. Und der alt-neue Vorsitzende kündigte an, daß er sich beide Flügel nur schwer in einer Partei vorstellen kann.