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Der Weg der Türkei führt nicht mehr nach Europa

Die Türkei fühlt sich gedemütigt. Die Islamisten, die immer gegen die EU-Orientierung waren, hatten recht  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Die politische Antwort der Türkei auf die Ergebnisse des EU- Gipfels in Luxemburg läßt kaum etwas im unklaren. „Es wird keinen politischen Dialog mehr zwischen der Türkei und der EU geben“ erklärte der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz vor Journalisten in Ankara. Die Türkei werde künftig mit der EU Konfliktthemen wie Zypern und die gespannten Beziehungen zu Zypern nicht mehr erörtern.

Auch das EU-Angebot, an einer informellen Europakonferenz im kommenden Frühjahr teilzunehmen, schlug Yilmaz aus. Faktisch sind somit die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU eingefroren, und die Türkei scheint fest entschlossen, auf Konfrontationskurs zu gehen. Sobald die EU die vorgesehenen Beitrittsgespräche mit Zypern aufnehme, werde die Türkei den Weg der „Integration“ mit dem türkisch besetzten Nordteil der gespaltenen Insel gehen. Und türkische Politiker verfaßten bereits Pläne, im Gegenzug nun die Nato-Osterweiterung zu blockieren.

Mit einer solch scharfen Reaktion hatten die Europäer offensichtlich nicht gerechnet. „Die Reaktion der türkischen Regierung auf das Angebot des EU-Gipfels darf und wird nicht die letzte Antwort sein“, sagte Bundesaußenminister Klaus Kinkel. Der „erste Pulverdampf der Enttäuschung“ werde sich legen, die Türkei gehöre zu Europa: „Wir wollen sie dabeihaben.“

Doch die Türken hatten beschwichtigende Worte satt. Sie hatten abseits der höflichen diplomatischen Floskeln die wahren Ergebnisse des EU Gipfeles richtig erfaßt: Die EU akzeptiert osteuropäische Staaten und Zypern als Mitgliedskandidaten, während die Türkei außen vor gelassen wird. Die Türkei müsse den Internationalen Gerichtshof in Den Haag bei den Gebietsstreitigkeiten mit Griechenland anerkennen und Konzessionen hinsichtlich Zypern machen, um eine Aussicht darauf zu haben, in spätere Beitrittsgespräche mit der EU zu treten.

Die Bedingungen der EU – seien sie noch so berechtigt – sind realitätsfern. Allein wenn die konkrete Aussicht auf EU-Mitgliedschaft bestünde, könnte sich ein türkischer Politiker auf solche Forderungen, die innenpolitisch schwer durchzusetzen sind, einlassen. Die Türken werden kaum Konzessionen machen, um als Gegenleistung ein vages Versprechen zu bekommen, daß die Türkei zu Europa gehöre.

So kann sich der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz breiter innenpolitischer Rückendeckung sicher sein, als er der EU nun eine Abfuhr erteilte. Die Kommentatoren klatschten ihm Beifall, und Meinunungsforschungsinstitute haben in Untersuchungen zum Vorschein gebracht, daß eine überwältigende Mehrheit der Türken eine Integration mit Europa will.

Die EU-Mitgliedschaft als Fernziel war stets ein Leitmotiv türkischer Politiker. Seit über drei Jahrzehnten – begonnen mit dem Assozierungsabkommen mit der EWG 1963 – verschrieben sich die Türken einer europäischen Perspektive. Trotz erheblicher wirtschaftspolitischer Risiken ging die Türkei die Zollunion mit der EU ein, die seit Anfang 1996 in Kraft ist. Die Hinhaltetaktik, mit der die EU die Türkei ausgrenzt, wird in der Türkei zunehmend als Demütigung empfunden.

So erweisen sich gerade diejenigen als die wahren Propheten, vor denen die EU-Politiker am meisten Angst haben: Die antiwestliche, islamistische Bewegung in der Türkei. Um die nicht zu stärken, hatte es bis heute keine klare Absage an eine Beitrittsperspektive der Türkei gegeben. Tatsächlich haben die Islamisten Positionen formuliert, die sich heute als richtig erweisen, nämlich daß die europäische Perspektive für die Türkei ein Irrweg sei und türkische Außenpolitik sich an islamischen Ländern zu orientieren habe. „Europa hat uns rausgeschmissen“ – so der Vorsitzende der islamistischen Wohlfahrtspartei, Necmettin Erbakan.

Um genau dieses Gefühl zu vermeiden, hatten insbesondere die USA, denen der strategische Wert der Türkei heilig ist, darauf gedrängt, daß die Europäer die Türkei nicht vor den Kopf stoßen. Doch der EU ist das Hemd näher als der Rock.

Der EU-Gipfel in Luxemburg bedeutet noch kein totales Ende der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Die Zollunion wird fortgesetzt, und die Türkei hat den formalen Beitrittsantrag von 1987 noch nicht zurückgezogen. Doch die Zeit, als sich Beziehungen zur Türkei mit schönen Worten gestalten ließen, sind vorbei. Sowohl Europa als auch die Türkei stehen an einem Scheideweg. Und es ist kaum mehr Zeit, um sich für die eine oder andere Richtung zu entscheiden. Debatte Seite 12

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